Cornelias Mittwochsbrief aus Kenia, 8. Oktober 2025

Mittwoch, 8. Oktober 2025

„Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.“ Lukas 19, 5 – 6

Zachäus kann kein Weichei gewesen sein. Er zockte seine Mitbürger ab und musste vermutlich mit einer Menge Verachtung und vielleicht sogar offener Anfeindung zurechtkommen. Er war ein hartgesottener Geschäftsmann und konnte sich nicht unterkriegen lassen, nur weil keiner ihn mochte. Wahrscheinlich musste er auch mangelnde Körpergröße mit extra Hochmut ausgleichen.
Dann kam Jesus in sein Leben. Erst eher indirekt, weil er durch seine Stadt zog. Aber die ersten Zeichen von Veränderung werden da schon sichtbar: niemals wäre Zachäus sonst auf einen Baum geklettert! Das passte so gar nicht in das Bild vom reichen Steuereintreiber. Und was für ein Aufstand, nur weil da irgendjemand mit seinem Gefolge durch Jericho lief…?
Nur war dieser Jemand eben Jesus mit seiner unwiderstehlichen Anziehungskraft. Also begibt sich Zachäus in die peinliche Situation auf dem Baum – es muss ihn ja keiner dabei sehen.
Doch dann bleibt ausgerechnet dieser Jesus direkt unter dem Baum stehen – und spricht Zachäus auch noch an! Vorbei mit dem Verstecken, vorbei mit aller demonstrierten Stärke und Eitelkeit. Was Jesus sagt, durchbricht alle Mauern, die Zachäus um sich herum aufgebaut hatte. Jesus begegnet ihm ganz selbstverständlich mit Würde und Respekt, ignoriert die Peinlichkeit der Situation, geht mit keinem Wort auf Zachäus‘ Vorgeschichte ein. Und er lädt sich bei ihm zum Essen ein, ein klares Zeichen von Ehre und Zuwendung. Das entwaffnet den Mann so komplett, dass er ruckzuck vom Baum klettert und Jesus freudig bei sich willkommen heißt.

Ich will davon lernen, Menschen mit Respekt und Würde zu begegnen, sie nicht in ihrer Vorgeschichte oder ihrer falschen Selbsteinschätzung einzusperren.
Es gibt immer noch Missionare, die hierher nach Tinderet kommen, um den „armen Afrikanern“ – zum Glück sagt fast keiner mehr „Eingeborene“! – aus ihrer misslichen Lage zu helfen und ihnen zu zeigen, wie Leben eigentlich funktioniert. Sie haben sicher edle Motive, aber wenig verstanden.
Die Missionare, die wirklich Eindruck hinterlassen sind diejenigen, die den Einheimischen auf Augenhöhe begegnen. Die gemeinsam mit den Leuten hier am Reich Gottes arbeiten wollen und dafür die jeweiligen Begabungen zusammentragen, sich gegenseitig ergänzen und die verschiedenen Sichtweisen zum Vorteil nutzen, statt sie auf „Westniveau“ zu bringen.

Und das gilt nicht nur im interkulturellen Kontext, sondern auf allen Ebenen menschlichen Zusammenlebens – lernen wir von Jesus, wie wir Menschen aus ihren selbstgebauten Gefängnissen befreien und zu ihm bringen können.

Cornelia Letting

Jesus, ob es die Frau am Jakobsbrunnen ist oder Zachäus, ein Pharisäer, ein Leprakranker oder eine arme Witwe – Du begegnest allen Menschen mit Zuwendung, schenkst ihnen Würde und zeigst ihnen, wer sie wirklich sind oder sein könnten. Bitte hilf mir, immer mehr auch so mit den Leuten um mich herum umzugehen, sie ernst zu nehmen und ihnen Würde zu verleihen in Deinem Namen. Amen.

Seit 2008 lebt unser Vöhringer Gemeindeglied Cornelia Letting (geborene Halle) auf der Station Tinderet im westlichen Hochland Kenias, die vom Missionswerk DIGUNA („Die Gute Nachricht für Afrika“) unterhalten wird. So haben Cornelias biblische Besinnungen einen besonderen Erfahrungshintergrund.

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Veröffentlicht in Region Iller-Roth, Tagesimpulse.