Kleiner geschichtlicher Überblick des Evangelisch-lutherischen Dekanats Neu-Ulm
Von Erich Broy, Leipheim
Der Anfang
Offiziell besteht das heutige Dekanat Neu-Ulm seit dem 8. Dezember 1810. Vorausgegangen waren zwei wichtige politische Entscheidungen: Am 10. Januar 1803 erließ die kurfürstliche Regierung Bayerns das Religionsedikt, wonach die drei christlichen Bekenntnisse des stark erweiterten Landes, das römisch-katholische, das evangelisch-lutherische und das reformierte, als gleichberechtigt anerkannt wurden. Die zweite Voraussetzung für die Neuorientierung der protestantischen Gemeinden an der oberen Donau war der Vertrag von Paris, den die Königreiche von Napoleons Gnaden, Bayern und Württemberg, am 18. Mai 1810 abgeschlossen. Mit ihm wurde der noch heute gültige Grenzverlauf zwischen beiden süddeutschen Staaten festgelegt. Der Großteil des ehemals ulmischen Territoriums kam zu Württemberg, nur der sogenannte Riedzaun mit den Ortschaften Pfuhl, Reutti, Holzschwang und Steinheim sowie Leipheim und Riedheim verblieben bei Bayern. Sie sind auch die ältesten Gemeinden des Dekanats, dessen ursprünglicher Sitz in Leipheim eingerichtet wurde. Zum ersten Dekan und Schulinspektor avancierte Pfarrer Herkules Samuel Tröglen.
Eine gewisse Vorreiterrolle in Sachen Glaubenserneuerung spiele Leipheim bereits 1523, als Pfarrer Jakob Wehe begann im Sinne Martin Luthers zu predigen. Diese Entwicklung wurde jäh unterbrochen durch die erste blutige Schlacht des Bauernkrieges am 4. April 1525 bei Leipheim und den tags darauf erfolgten gewaltsamen Tod Wehes: Er wurde enthauptet.
Die Reformation
Im November 1530 beschlossen in einer nach Zünften abgehaltenen Abstimmung 87 % der männlichen Bevölkerung Ulms die Einführung der Reformation in Stadt und Land. An Pfingsten 1531 wurden die Bewohner des Ulmer Landes durch die Prediger Martin Bucer, Johannes Oekolampad und Ambrosius Blarer über den neuen Glauben informiert, der allerdings zunächst der Zwinglianischen Richtung folgte. Erst nach dem am 25. September 1555 abgeschlossenen Augsburger Religionsfrieden wandte sich die Reichsstadt Ulm unter dem starken Einfluss des Dr. Ludwig Rabus dem Luthertum zu. Ab 1559 mussten alle Gemeinden Tauf-, Heirats- und Sterberegister führen, so auch Leipheim, Riedheim, Pfuhl, Reutti, Steinheim und Holzschwang.
Im Jahre 1546 wurde Burtenbach evangelisch. Der berühmte Landsknechtsführer und Feldherr des Schmalkaldischen Bundes, Sebastian Schertlin, beschloss als Besitzer des Dorfes zum Luthertum überzutreten, wie er in seiner Lebensbeschreibung kundtut: ,,Anno 1546 auf sontag Judica hab ich das bapsthumb zu Burtenpach verändert, und amen cristenlichen evangelischen predicanten aufgestellt.“ Ihm folgte 1603 der Reichsritter Zacharias Geizkofler von Reiffenegg, von und zu Gailenbach. Der gebürtige Südtiroler war unter Kaiser Rudolf II. Reichspfennigmeister (Finanzminister) und führte in Haunsheim, das er kurz vorher käuflich erworben hatte, die Reformation ein, was 1613 dann auch in Bächingen geschah [Korrektur: Bächingen wurde schon unter Reichsritter Eitelhans von Westernach († 1576) evangelisch.]
Zunächst „Dekanat Leipheim“
Aus den sechs ehemals ulmischen Pfarreien und den 3 ritterschaftlichen Gemeinden wurde 1810 das „Dekanat Leipheim“ gebildet, das zunächst dem bayerischen Generaldekanat Regensburg unterstellt war. 1817 kam es zur gleichnamigen Behörde in Ansbach, die zwei Jahre später in Konsistorium umbenannt wurde. Vom 9. April 1825 bis zum 1. Januar 1838 gehörte das Dekanat Leipheim dem Königlich-Protestantischen Konsistorium Bayreuth an, dann wieder dem in Ansbach. Erst 1921 folgte der Wechsel zum Kirchenkreis München.
Überragende Gestalt in der Leipheimer Zeit war Theodor August Gabler, der von 1820 bis 1829 als Dekan und Bezirksschulinspektor wirkte und es bis zum Oberkonsistorialrat in München brachte. Unter der Herrschaft der bayerischen Könige entstanden weitere evangelische Kirchengemeinden: 1851 Dillingen, 1867 Neu-Ulm, 1911 Günzburg und 1915 Senden-Ay.
Dekanat „Neu-Ulm“
Kurz vor Ende des 1. Weltkrieges wurde der Sitz des Dekanats nach Neu-Ulm verlegt. Das liest sich in der Nummer 25 des Amtsblattes für die prot. Landeskirche in Bayern rechts des Rheins so:
,,Seine Majestät der König haben sich allergnädigst bewogen gefunden, unterm 3. August 1918 den Kirchenrat, 1. Pfarrer Karl Engelhardt zu Leipheim, Dekant Leipheim, seiner alleruntertänigsten Bitte entsprechend von der Funktion eines protestantischen Dekans für den Dekanatsbezirk Leipheim zu entheben und diese Funktion dem Pfarrer Julius Knoell in Neu-Ulm zu übertragen.“
In der Zeit zwischen beiden Weltkriegen wurde nur eine neue selbständige Gemeinde ins Leben gerufen; und zwar 1923 Illertissen, deren Christuskirche bereits 1896 erbaut worden war. Während des 2. Weltkrieges mussten alle Gemeinden zahlreiche Gefallene und auch zivile Opfer beklagen. Am schwersten traf es Neu-Ulm, das bis zu 70 % infolge heftiger Bombardements in den Jahren 1944/45 zerstört worden war.
Am 3. Oktober 1947 wurde das seit 1810 bestehende Dekanat Leipheim umbenannt. Es hieß nun Dekanat Neu-Ulm. Infolge der gewaltsamen Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Ostgebieten des ehemaligen Deutschen Reiches nahm die Zahl der Evangelischen auch in früher rein katholischen Landstrichen zu, so dass die Gründung neuer evangelischer Gemeinden notwendig wurde. So entstanden nacheinander die selbständigen Pfarrämter in Weißenhorn 1949, Lauingen 1951, Burgau 1953, Ichenhausen 1958, Vöhringen 1960, Offenhausen 1964 und Thalfingen 1968. Im Jahre 1971 wurden die Gemeinden des Regierungsbezirkes Schwaben im neu geschaffenen Kirchenkreis Augsburg zusammengefasst. Eine letzte Gründungswelle schuf die Gemeinden Ludwigsfeld 1980 (die bis zum 1.4.1999 3. Pfarrsprengel der Petruskirche Neu-Ulm war), Thannhausen 1989 und Höchstädt an der Donau 1994.
Heute umfasst der Dekanatsbezirk Neu-Ulm ungefähr 55.000 Seelen in 24 Gemeinden. Erstmals in der fast 200jährigen Geschichte dieser kirchlichen Verwaltungseinheit steht seit 1999 mit Gabriele Burmann eine Frau an der Spitze.
Text für die Sonderausstellung „Ein feste Burg ist unser Gott. Evangelisch in Weißenhorn und im Dekanat Neu-Ulm“ im Heimatmuseum Weißenhorn vom 20. Mai bis zum 23. Juli 2000.