Basierend auf den Herrnhuter Losungen soll ein biblisches Wort uns einen neuen Impuls geben:
Mittwoch, 20. November
Der Weingärtner sprach zu dem Besitzer des Weinbergs: Herr, lass den Feigenbaum noch dies Jahr, bis ich um ihn herum grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab. Lukas 13, 8 – 9
Ein Weinbergbesitzer pflanzt einen Feigenbaum in seinen Weinberg. Das ist nicht ungewöhnlich und – weil es in der Bibel steht – voll von möglichen Assoziationen über Israel, Jerusalem und Gottes Volk, auf die wir aber heute nicht eingehen wollen.
Nach drei Jahren hat der Baum immer noch keine Frucht getragen, obwohl er das nach zwei Jahren hätte tun sollen. So hat der Besitzer genug und sagt seinem Gärtner, er soll den Baum fällen, weil er dem Boden nur unnötig Nährstoffe entzieht.
Der Weingärtner erwidert, wie es oben steht: lass ihm noch ein Jahr Zeit, ich will ihn besonders gut pflegen und umsorgen, vielleicht wird es dann doch noch was mit den Feigen. Wenn aber nicht, gut, dann kannst du ihn abhauen. (vgl. Lukas 13, 6 – 9)
Was höre ich aus dieser Geschichte? Ich höre ein Ultimatum, ich höre Ungeduld; ich sehe einen Feigenbaum, der nicht tut, wie er soll. Ich höre aber auch „noch eine Chance“, höre Geduld und Empathie. Ich sehe einen Weingärtner, der sich nochmal extra gut kümmern will, der die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat.
Ich tu mir ein bisschen schwer damit, die beiden Personen zuzuordnen. Ich kann mir nicht so gut vorstellen, dass Gott der Weinbergbesitzer ist, der kurzen Prozess machen will. Besser geht es schon damit, mir Jesus als den Gärtner vorzustellen, der noch einen Versuch machen will mit dem unnützen Baum – den ich mir übrigens gut als mich oder uns vorstellen kann…
Wie dem auch sei, unterm Strich bleibt folgendes: Gott hat die Welt – den Feigenbaum, mich! – so sehr geliebt, dass er seinen eigenen Sohn in den Tod gegeben hat. Jesus hat durch seinen Tod dem Feigenbaum alle mögliche Pflege angedeihen lassen, hat mir noch eine Chance gegeben, mit Gott ins Reine zu kommen und Frucht für ihn zu tragen.
In der Geschichte steht nicht, wie der Baum reagiert hat, ob er tatsächlich im nächsten Jahr Feigen getragen hat. Das muss jeder Baum – müssen wir jeder für sich – selbst entscheiden. Klar ist aber auch, es gibt ein „zu spät“, es gibt eine Zeit, in der unnütze Bäume gefällt werden. Warten wir also nicht zu lange, nutzen wir die Chance, die unser Weingärtner für uns ausgehandelt hat und lassen wir die Frucht wachsen, die der Heilige Geist in uns gepflanzt hat: „Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit…“ (Galater 5, 22 – 23).
Cornelia Letting
Jesus, danke schön für Deine Geduld mit mir. Manchmal lebe ich einfach so vor mich hin und vergesse, dass ich doch in Deiner Nähe bleiben muss, um Frucht tragen zu können. Vielen Dank, dass Du mich nicht aufgibst und dass Du, wenn es sein muss, auch mal unnütze Äste aus mir rausbrichst. Amen.