Sonntag, 19. Januar
Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. (Johannes 1,16)
Ein Glas randvoll mit Wasser zeigt Fülle an. Jeder weitere Zufluss führt zur Überfülle. Mehr als voll ist eben nicht zu fassen. Aber kann und will ich die Fülle im Glas einfach stehen lassen? So tritt die Versuchung auf, das Wasser aus dem Glas in ein weiteres, größeres Gefäß umzufüllen. Da sieht es dann ganz anders aus, wenn das Wasser in diesem Gefäß nur fingerdick über dem Boden steht. Nach oben ist also noch viel Luft drin. Durch ein weiteres Umfüllen in einen Messbecher wird schließlich genaues Maß genommen – 225 ml. Da wäre doch noch mehr drin gewesen. 450 ml heißt zukünftig die Vorgabe. Dabei war das Glas am Anfang wirklich voll – randvoll!
Wo wir die Güter unseres Lebens quantitativ zu bemessen suchen, erscheinen sie durch unsere „Maßnahmen“ als defizitär. Jeder Maßzahl ist immer eine „Mehr“-Zahl hinzuzufügen. So fehlt nach eigenen Maßstäben unserem Leben immer etwas zum vollkommenen Glück. Ein erfülltes Leben besteht nicht in dem, was ich für mich hinzugewinnen und zahlenwertig fassen kann. Wenn ich zur Fülle des Lebens gelangen will, muss ich zur Quelle kommen. Dazu schreibt der Kirchenvater Gregor von Nyssa:
„Wenn du dich der Quelle genähert hast, staunst du über das unversiegliche Wasser, das unablässig aus ihr hervorsprudelt und fließt. Aber du könntest nicht sagen, du habest alles Wasser gesehen. Denn wie könntest du sehen, was noch im Schoß der Erde verborgen ist? Daher fängst du, wie lange du auch bei der Quelle bleiben magst, immer erst an, das Wasser zu sehen. Ebenso ist es, wenn jemand die unendliche Schönheit Gottes betrachtet. Sie wird stets neu entdeckt und wird immer als etwas Neues und Unbekanntes angesehen im Vergleich mit dem, was der Geist bereits begriffen hat. Und während Gott sich weiter offenbart, staunt der Mensch weiter; und sein Verlangen, mehr zu sehen, hört niemals auf, denn das, worauf er wartet, ist immer großartiger und göttlicher als alles, was er schon gesehen hat.“
Jochen Teuffel
HERR Gott, himmlischer Vater, du hast deinen Sohn in die Welt gesandt, damit Menschen die Fülle des Lebens finden. Nimm unseren Seelen die Trübsal und führe uns in Jesu Freudensaal, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und regiert in alle Ewigkeit. Amen.
Als heutige Bibellese ist Psalm 3 vorgesehen.
Zum Abschluss das Lied Wie ein Hirsch lechzt nach frischem Wasser zum Anhören.