Beichte

I. Was bei der Beichte geschieht

In der Beichte wenden sich Christen mit dem, was sie belastet, an Gott; sie erkennen, daß sie im Widerspruch zu Gott und in der Trennung von ihm leben. Sie bekennen, daß sie Gottes Gebote übertreten haben und schuldig geworden sind. Sie bitten um Vergebung ihrer Sünden. Sie empfangen Gottes Freispruch und erfahren darin Entlastung für ihr Gewissen.

Sünden bekennen

In den zehn Geboten hat Gott zusammenfassend gesagt, wie Menschen miteinander und mit ihm leben sollen An den zehn Geboten können sich Christen bis heute orientieren, wenn sie nach dem Willen Gottes fragen und sich selbst prüfen, ob sie sich an Gottes Weisung halten.

Die Beichte setzt voraus, daß Menschen ihre eigene Schuld erkennen. In der Beichte erfahren sie die Liebe und Vergebung Gottes. Sie ermöglicht, sich selbst anzunehmen.

In der Beichte sprechen Menschen aus, was sie belastet. Sie sind anderen gegenüber schuldig geworden oder anderen etwas schuldig geblieben. Am Angesicht Gottes wird ihnen bewußt: ‚Ich komme in Situationen, die ich nicht ändern kann, in denen ich aber dennoch schuldig werde. Ich profitiere von ungerechten Verhältnissen. Ich mache mit, wo ich nicht mitmachen dürfte. Was immer ich tue, es bleibt Schuld zurück‘.

Auch in unserer Beziehung zu Gott werden wir immer wieder schuldig durch Ablehnung und Gleichgültigkeit ihm gegenüber. Die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen sind untrennbar miteinander verbunden. Die Bibel unterscheidet zwischen den konkreten Sünden (Tatsünden), also den einzelnen Verstößen gegen Gottes Gebot, und der Sünde als Trennung von Gott (Grundsünde). Diese äußert sich darin, daß der Mensch sein will wie Gott, nicht mehr mit ihm rechnet und deshalb meint, alles in die eigenen Hände nehmen zu müssen. Er vertraut weder Gottes Gnade noch läßt er sein Gebot für sich gelten.

Vergebung empfangen

Christen erkennen im Glauben den schützenden und begleitenden Gott, der Weisungen zum Leben gibt; sie erkennen im Glauben den richtenden Gott, der die Erfüllung seiner Weisungen einklagt; und sie erkennen im Glauben den gnädigen Gott, dessen Liebe zu den Menschen größer ist als sein Gericht.

Gottes unbedingte Zusage, die Sünden zu vergeben, ermöglicht es dem Menschen, Schuld und Fehler einzugestehen und um Vergebung zu bitten. Die Vergebung, die ein Mensch dem anderen im Auftrag Gottes zuspricht, gilt. ‚Dir sind deine Sünden vergeben.‘ sollen wir hören wie aus Gottes Mund. Die Gültigkeit der Vergebung wird unterstrichen, wenn bei der Lossprechung die Hand aufgelegt wird oder nach der Beichte miteinander das Abendmahl gefeiert wird. Gebeichtete und vergebene Schuld soll und braucht nicht noch einmal oder immer wieder vor Gott gebracht werden.

Auch wenn in Gottes Augen eine Schuld ein für allemal vergeben ist, belasten oft die Erinnerung und die Folgen weiterhin das Leben eines Menschen. Manche Wunden heilen langsam. Versagen und Angst können einen Menschen lange verfolgen, bis er sich selbst annehmen kann. Er braucht dazu seelsorgerliche Begleitung.

Vergebung weitergeben

In der fünften Bitte des Vaterunsers bitten wir: ‚und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern‘. Die Vergebung Gottes hilft, selbst Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen, dazu zu stehen und nach Möglichkeiten zu suchen, Dinge wieder in Ordnung zu bringen: andere um Verzeihung zu bitten, Versöhnung anzubieten und Wiedergutmachung zu leisten, soweit diese möglich ist. Zum verantwortlichen Umgang mit Schuld gehören auch der Vorsatz und der Wille, es nicht wieder zu tun. So ermöglicht die Lossprechung, „hinfort in einem neuen Leben zu wandeln“.

 

II. Gelegenheiten und Formen der Beichte

Sein Gewissen zu entlasten und die Beichte abzulegen, gibt es viele Gelegenheiten. Die Ordnung des Abendgebets zum Beispiel enthält dazu entsprechende Gebete. Einschnitte wir Geburtstage oder Todesfälle im Kreis der Familie können Anlaß zur Beichte sein, ebenso die Feier eines Konfirmations- oder Hochzeitsjubiläums.

Drei Formen der Beichte sind in der evangelischen Kirche gebräuchlich:

Die innere Beichte

Im eigenen Beten setzen sich Christen mit dem Anspruch Gottes auseinander und nehmen die eigene Schuld wahr. In der Stille, mit sich und Gott allein, nennen sie Gott ihre Verfehlungen. Sie machen sich bewußt, daß „vor den Engeln Gottes Freude sein wird über einen Sünder, der Buße tut“ (Lukas 15,10). In der Erinnerung an Gottes Liebe können die Betenden zu der Gewißheit gelangen, daß Gott sie von ihrer Schuld lossagt.

Die Einzelbeichte

Manches läßt sich nicht im stillen Beten bereinigen. Manche Schuld belastet die Seele so, daß erst das Reden darüber weiterhilft. Die Einzelbeichte gibt dafür Raum. Sie ist ein Gesprächsangebot, über erkannte eigene Schuld zu sprechen und Gottes Vergebung im persönlichen Zuspruch zu erfahren. Ein solches Gespräch steht immer unter dem Siegel der Verschwiegenheit.

Die Gemeindebeichte

In der evangelischen Kirche gibt es Buß- oder Beichtgottesdienste an besonderen Tagen im Kirchenjahr, zum Beispiel am Buß- und Bettag und in der Passionszeit. Lieder, Schriftlesungen und Predigt im Beichtgottesdienst schaffen Raum für die persönliche Besinnung. Auf die Beichtfragen hin bekennen alle in der Gemeinschaft der Gemeinde ihre Sünden und bekommen Gottes Vergebung zugesprochen. Im Anschluß an diesen Zuspruch kann eine persönliche Segnung der Beichtenden erfolgen.

Auch in der Ordnung des sonntäglichen Gottesdienstes finden sich ein Sündenbekenntnis und die Bitte um die Vergebung.

 

III. Zur Vorbereitung auf die Beichte

Bei der Vorbereitung auf die Beichte geht es darum, sich im Nachdenken über Gottes Gebote die eigene Schuld bewußt zu machen.

Das Doppelgebot der Liebe

Der Kern aller göttlichen Weisung ist im „Doppelgebot der Liebe“ enthalten, das Jesus im Gespräch mit einem Schriftgelehrten (Matthäus 22,34-40) nennt: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte (5. Mose 6,5). Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (3. Mose 18,8)“. Bei diesem Gebot kann alle persönliche Besinnung auf dem Weg zur Beichte beginnen.

Die Zehn Gebote

Anhand der Zehn Gebote kann jede und jeder sein eigenes Leben prüfen; im Kleinen Katechismus von Martin Luther ist jedem Gebot eine Auslegung zum besseren Verständnis beigegeben.

Die Bußpsalmen der Bibel

Das Buch der Psalmen enthält sieben Gebete, die sich für die Beichte besonders eignen, die sieben „Bußpsalmen“ (Psalm 6, Psalm 32, Psalm 38, Psalm 51, Psalm 102, Psalm 130, Psalm 143).

Beichtspiegel

Beichtspiegel gehen meist den Zehn Geboten entlang und formulieren Fragen, die der eigenen Prüfung dienen, zum Beispiel in folgender Form: Welcher Mensch oder welche Sache ist dir wichtiger als Gott? Wer oder was beeinflußt dich am stärksten?

Nimmst du dir bei deinen Planungen und Entscheidungen genügend Zeit zum Hören auf Gottes Wort? Fliehst du in Arbeit und Vergnügen? Mit welchen Menschen lebst du in Spannung? Wem begegnest du gleichgültig, voll Vorwurf und Verachtung, innerhalb oder außerhalb deiner Familie? Bist du bereit, für andere Verantwortung zu tragen?

Gibt es einen Menschen, dem du etwas nicht vergeben und vergessen kannst? Suchst du bei anderen nur Hilfe für dich selbst?

Ist Gottes Gebot auch auf sexuellem Gebiet für dich maßgebend, sowohl im Hinblick auf andere als auch für dich selbst?

Hast du dir etwas unrechtmäßig angeeignet oder Geliehenes noch nicht zurückgegeben? Was brauchst du nicht unbedingt, was aber ein anderer dringend nötig hat? Erhält Gott seinen Anteil von deinem Verdienst? Wen hast du belogen? Über wen hast du mündlich oder schriftlich wissentlich falsch oder lieblos geurteilt?

Wen beneidest du heimlich um Aussehen oder Ansehen, um Gaben, Stellung und Besitz? Empfindest du Mitfreude oder Verbitterung, wenn du dich mit anderen vergleichst?

Wenn wir im Lichte Gottes unsere Situation ohne Beschönigung erkennen, wird uns unsere Gottesferne bewußt. Christus aber spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“.

 

IV. Gebete

Ich bedenke mein Leben vor Gott

Vater im Himmel, was kann ich dir sagen, was du nicht schon weißt? Ich habe anderen das Leben schwergemacht, und es waren doch oft nur Kleinigkeiten, um die es da ging: Ich wollte recht behalten, aber ich vergaß die Liebe, die du geboten hast. Ich bin unfair gewesen, ich bin böse geworden, wo ich hätte Geduld aufbringen müssen. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, daß ich kein Ohr und kein Herz hatte für die, die Verständnis und Hilfe von mir erwarteten. Ich habe geschwiegen, wo ich hätte reden sollen, ich habe den Dingen ihren Lauf gelassen, weil meine Angst größer war als mein Vertrauen zu dir. Deinen Geboten habe ich wenig Gewicht gegeben und deine Güte mißachtet. Ich habe dich vergessen, Gott, bei vielem, was ich tat und dachte. Ich lasse mich gefangennehmen von meinen Wünschen und Ängsten und sehne mich doch danach, frei und geborgen zu sein bei dir. Herr, ich bin erschrocken, wie schwierig es ist, im Alltag aus dem Glauben an dich zu leben. Ich bekenne dir mein Unvermögen und meine Schuld: Herr, erbarme dich.

Dank für die Vergebung

Ich danke dir, mein Gott, für die Vergebung, die ich erfahren habe, und für den Mut zum neuen Beginn. Laß mich nicht nur mit Worten dankbar sein, sondern auch vergeben, wenn andere mir schaden oder weh tun. Ich weiß, mein Gott, es wird nicht alles ganz anders werden in meinem Leben, aber ich vertraue darauf, daß du mich nicht verwirfst. Ich danke dir, Herr, daß ich solches Vertrauen haben darf, weil du unsere Schuld getragen hast.