„Fasten – wirklich nur 7 Wochen ohne?“
Ist Fasten für Sie ein Thema – oder ist das aus ihrer Sicht nur etwas für Übergewichtige, Gesundheitsapostel oder Superfromme?
Wir stehen vor der vorösterlichen Passions- und Fastenzeit, die am kommenden Aschermittwoch beginnt und in der evangelischen Kirche mit der Aktion »7 Wochen ohne« startet.
Ich möchte in dieser Predigt mit Ihnen dem Begriff Fasten nachspüren und mich fragen, was Fasten für uns heute an Bedeutung haben kann falls wir es tun bzw. haben könnte falls wir es tun würden.
- Begriffserklärung
Beim Fasten geht es um den zeitweisen Verzicht auf Speisen.
Dabei kann es sich um alle oder nur um bestimmte Nahrungs- oder Genussmittel handeln. Das Fasten erstreckt sich dabei über einen bestimmten Zeitraum hinweg, üblicherweise für einen oder mehrere Tage.
- diverse Formen des Fastens
Schon in der Antike und auch im Mittelalter wurde gefastet.
Der Anstoß dazu war normalerweise religiös bedingt.
In unserer Zeit steht meist eine andere Motivation im Vordergrund:
- es geht ums Abnehmen bzw. die Kontrolle des Körpergewichts,
- die Erhöhung der Lebenserwartung, indem man den Alterungsprozesses hinauszögern möchte,
- oder aber im Rahmen einer Therapie bei manchen Krankheiten.
- Intervallfasten
Ein Wechsel zwischen Fasten und Nahrungsaufnahme findet innerhalb eines Tages statt. Häufig angewandt wird die 16:8 – Methode, bei der einem 16 – stündigen Nahrungsverzicht eine 8 – stündige Phase der Nahrungsaufnahme folgt und den Verzicht auf eine Mahlzeit am Tag einschließt.
- Heilfasten
Als „Heilfasten“ wird ein Fasten verstanden, mit dem Ziel eines höheren Wohlbefindens oder einer verbesserten Gesundheit. Dabei wird in einem Zeitraum von 1 Woche auf feste Nahrung verzichtet.
- Kurzzeitfasten in der Krebsforschung
Durch ein wenige Tage andauerndes Fasten während einer Therapie wurde eine Steigerung der Verträglichkeit von Chemotherapien beobachtet. Dies könnte eine vielversprechende Strategie zur Verbesserung der Effizienz einer Chemotherapie werden.
- Fasten in diversen Religionen
In vielen Religionen stellt Fasten einen wesentlichen Bestandteil dar. Es soll den Gläubigen helfen, alltägliche Gewohnheiten zu reflektieren, die eigene Willenskraft zu schulen, schlechte Gewohnheiten abzulegen, sich auf das Wichtige im Leben zu besinnen oder der Gottheit zu gefallen bzw. seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen.
Der Verzicht auf Nahrungs- und Genussmittel soll dabei einer vorgeschriebenen religiösen Praxis, der Vorbereitung auf große Feier- und Festtage oder auf spezielle Herausforderungen dienen.
- Islam
Im Islam ist das Fasten eine der fünf Säulen des Glaubens. Während des Fastenmonats Ramadan – der gestern begann – besteht für alle Muslime die Pflicht, von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang dem Körper keinerlei Substanzen zuzuführen.
- Hinduismus
Fromme Hindus verzichten völlig oder zeitweise auf bestimmte Nahrungsmittel. Dies geschieht je nach Familienbräuchen oder Vorgaben ihres Gurus. Man fastet zu bestimmten Mondkonstellationen, Feiertagen oder zu persönlich gewählten Zeiten.
- Judentum
Fasten bedeutet im Judentum vom Vorabend bis zum Abend des Folgetages nichts zu essen und nichts zu trinken.
Als solch „lange“ Fastentage gelten:
- Jom Kippur – Versöhnungstag, der höchste jüdische Feiertag.
- Tag des Gedenkens an die Zerstörung des Tempels.
Es werden auch „kurze“ Fastentage begangen:
- am Vorabend des Purimfests
- am Tag zur Erinnerung an den Beginn der Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezar und
- am Tag des Gedenkens an den Durchbruch durch die Jerusalemer Stadtmauer, vor deren Einnahme und Zerstörung.
Die Pharisäer führten 2 Fastentage pro Woche ein, die sie auch konsequent einhielten, die aber nicht für alle verpflichtend waren.
Darüber hinaus wird im AT mehrfach vom Fasten berichtet als Zeichen der Trauer oder um den Ernst eines Gebetes zu betonen.
- Christentum
Das Christentum kennt vornehmlich die 40 Tage der Fastenzeit vor Ostern, die an die 40 Tage erinnert, die Jesus Christus fastend und betend in der Wüste verbrachte.
Der Aspekt des Fastens in der Adventszeit, die ebenfalls eine Buß- und Fastenzeit war, tritt mittlerweile in den Hintergrund – abgelöst von Spekulatius und Lebkuchen.
Orthodoxe Kirchen
Die orthodoxen Kirchen kennen vier Fastenzeiten im Jahr – vor den großen Festen Weihnachten, Ostern und Pfingsten, sowie vor Mariä Himmelfahrt. Darüber hinaus gibt es zur Vorbereitung auf einige besondere Fest- und Gedenktage einzelne Fastentage.
Römisch-katholische Kirche
Die römisch-katholische Kirche hat dem Fasten als Bußpraxis von jeher viel Beachtung geschenkt. Ursprünglich galten als Fastentage:
Aschermittwoch, Karfreitag und die Freitage der Fastenzeit.
Daneben bestand das Fastengebot an Heilig Abend, sowie vor Pfingsten, Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen.
Die kirchliche Praxis wurde aber dahingehend gelockert, dass als strenge Fastentage nur noch Aschermittwoch und Karfreitag gelten. Dabei steht der Verzicht auf Fleisch im Vordergrund.
Im Schwäbischen gibt es vielerorts an den Fastentagen Maultaschen – Herrgottsbscheißerle. Da wird nämlich der Fleischteig in Nudelteig versteckt damit es niemand sieht.
Einflüsse der Reformation
Die Reformatoren kritisierten die kirchlichen Gebote zum Fasten als reine Äußerlichkeiten, durch die das Wohlwollen Gottes nicht erlangt werden könne.
Martin Luther fastete zwar auch, äußerte aber, der Mensch werde nicht durch das Fasten angenehm bei Gott, sondern allein durch die Gnade, allein durch den Glauben.
In den vergangenen Jahren hat sich bei vielen evangelischen Christen die Aktion „7-Wochen-ohne“ durchgesetzt. Sie verzichten in der Fastenzeit bewusst auf Alkohol, Süßigkeiten oder auch auf eingeschlichene Gewohnheiten, die als belastend empfunden werden.
- Fasten in der Bibel
Im AT gibt es nur einen Fastentag, den Gott von seinem Volk fordert. Das ist an „Jom Kippur“, dem großen Versöhnungstag.
So heißt es in 3. Mose 23:
»Am zehnten Tag des siebten Monats ist der Versöhnungstag. Kommt zu einer heiligen Festversammlung zusammen. Fastet und demütigt euch vor dem HERRN und bringt ihm auf dem Altar Opfer dar. Geht nicht eurer täglichen Arbeit nach. Denn es ist der Versöhnungstag, an dem beim HERRN, eurem Gott, Sühne für euch erwirkt wird. Diese Ordnung gilt für alle Generationen, wo immer ihr auch wohnt.«
Darüber hinaus haben die Pharisäer zwei wöchentliche Fastentage, am Montag und Donnerstag, eingeführt. Das aber war eine rein menschliche Festlegung, die nicht für alle verbindlich war. Darauf haben sich die Pharisäer aber etwas eingebildet und die Entbehrungen durch das Fasten als menschliche Leistung angesehen, die sie vor Gott und den Menschen zur Geltung bringen wollten. In der Erzählung Jesu vom Pharisäer und dem Zöllner im Tempel betet der Pharisäer: »Danke, dass ich nicht so bin wie die Anderen…ich faste zweimal die Woche…«
Jesus sagt zu diesem Fasten in der Bergpredigt in Matthäus 6:
»Wenn ihr fastet, setzt keine Leidensmiene auf wie die Heuchler. Sie vernachlässigen ihr Aussehen, damit die Leute ihnen ansehen, dass sie fasten.
Ich sage euch: Sie haben ihren Lohn damit schon erhalten.
Wenn du fastest, pflege dein Haar und wasche dir das Gesicht wie sonst auch, damit die Leute dir nicht ansehen, dass du fastest; nur dein Vater, der auch im Verborgenen gegenwärtig ist, soll es wissen. Dann wird dein Vater, der ins Verborgene sieht, dich belohnen.«
Die übliche Praxis des Fastens im Volk Israel stand bei Gott und Jesus immer wieder in der Kritik. So beauftragt Gott Jesaja folgendes zu seinem Volk zu sagen (Kapitel 58):
Sie suchen mich täglich und wollen gerne meine Wege wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie wollen, dass Gott ihnen nahe sei.
Sie sagen zu mir: »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?«
Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat?
Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe:
Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn! Dann wirst du rufen und der Herr wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und der HERR wird dich immerdar führen…«
Offensichtlich dachte das Volk Israel, dass sie durch Fasten ihrem Anliegen bei Gott mehr Nachdruck verleihen könnten.
Fasten als Druckmittel? Das funktioniert bei Gott aber nicht.
Fasten als Verzicht, Entbehrung und Leiden um Mitleid zu erwecken? Auch die Mitleidsschiene funktioniert bei Gott nicht.
Gott kommt es nicht auf ein äußeres, korrekt eingehaltenes Fasten an. Es geht ihm um die innere Haltung, die Motivation. Genau das ist es, was der Prophet Jesaja im Auftrag Gottes dem Volk Israel mitteilen muss. Gott prangert das Fasten an, das zu einer isolierten frommen Praxis verkommen war und nichts mehr mit ihrem Leben zu tun hatte. Sie beteten und fasteten. Doch warum?
Ihre Logik war: „Gott, wir tun, was du erwartest.
Jetzt tu auch du, was wir von dir erwarten.“
Doch auf einen solchen Deal lässt Gott sich nicht ein. Er schaut tiefer in ihr Herz und in ihr praktisches Leben hinein. Und was sah er?
„Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein.“
Das sind zwei Welten, Fasten und Alltag, die nichts miteinander zu tun haben. Da wird eines schnell klar:
Gebetserhörungen kann man da bei Gott nicht erwarten.
Häufig wird Fasten missverstanden als Erpressungsversuch, im Glauben Gott müsse jetzt handeln, wenn ich ihm durch Fasten zeige, wie wichtig mir etwas ist – sozusagen Hungerstreik, um Gott zu erpressen.
Fasten hat aber nicht das Ziel, von Gott zu bekommen, was wir uns vorstellen oder Gott zu beeinflussen, seine Meinung zu ändern.
Was ist dann aber biblisches Fasten, das Gott gefällt und an dem wir uns orientieren…
…und es vielleicht für uns in Betracht ziehen könnten?
Die Hauptfrage ist die Frage nach der Motivation:
Warum und wozu will ich fasten und für wen?
Unsere Hauptfrage ist doch oft: »Was bringt es mir persönlich?«
Wenn wir so ans Fasten herangehen, dann bleibt uns nur die Gewichtsabnahme und der Gesundheitsaspekt.
Die geistliche Dimension wird uns dann verschlossen bleiben.
Jesus hat vor seinem öffentlichen Wirken 40 Tage lang in der Wüste gefastet. Dabei ging es ihm mit Nichten um eine Gewichtsabnahme. Auch nicht um eine menschliche Leistung um Gott zu gefallen. Sondern um eine geistliche Zurüstung im engen Kontakt mit seinem Vater im Himmel.
Erst danach hat er mit Vollmacht in der Kraft des Heiligen Geistes öffentlich gewirkt.
Erst danach konnte er im Gehorsam den vorgegebenen Weg bis ans Kreuz gehen.
Nicht um seinem Ego zu dienen, sondern zur Ehre und Verherrlichung des Vaters. Das sollte auch unsere Motivation beim biblischen Fasten sein.
Der Himmel hat ein offenes Ohr, wenn jemand mit Fasten betet. Der Mensch, der betet und fastet, lässt den Himmel wissen, wie tiefernst es ihm ist.
Vom Volk Israel wird uns im AT immer wieder berichtet, dass sie in schwierigen Situationen und Notzeiten gebetet und gefastet haben. Und Gott hat sie erhört, wenn sie es ernst meinten.
Sie kennen vielleicht auch die Geschichte des Propheten Jona.
»In 40 Tagen wird Ninive untergehen.«, so hat er lauthals verkündet.
Und die Bewohner der assyrischen Hauptstadt?
Sie haben ihn nicht ausgelacht oder davongejagt, sondern ein Fasten für Mensch und Vieh ausgerufen, zu Gott geschrien und sich von ihren bösen Wegen bekehrt – vor allem letzteres.
Hat Gott das kalt gelassen?
Keineswegs, sondern ihn reute das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat es nicht. Er verschonte die Stadt.
Leben wir nicht auch in schwierigen Situationen und Umständen in unserer Gesellschaft, der derzeitigen Welt und leider auch unserer Kirche? In Umbrüchen und Verwerfungen?
Wie schlimm muss es kommen, bevor wir betend und fastend uns demütigen vor unserem Gott? Anstatt uns nur aufzuregen und zu jammern über die Zustände?
- Fazit
Wir stehen heute weniger in der Gefahr das Fasten überzubewerten. Mit der Reformation sind wir vielleicht auf der anderen Seite vom Pferd gefallen. Die geistliche Dimension des Fastens haben wir dadurch weitgehend verloren. Fasten beschränkt sich heute in erster Linie auf Gewichtsabnahme und Gesundheitsvorsorge. Ansatzweise findet sich der ursprüngliche Gedanke wieder im gezielten Verzicht während der Passionszeit.
Aber was machen wir aus diesem Verzicht, aus der dadurch gewonnen Freiheit oder der zusätzlichen Zeit?
Hat das Fasten, der Verzicht, für uns auch eine geistliche Dimension?
Es geht in der Fastenzeit letztlich nicht um die Frage die wir uns so oft und immer wieder gerne stellen:
»Was hab ich davon?«,
sondern um die Fragen:
»Wie kann ich im Fasten und Beten meine Beziehung zu Gott und zu Jesus Christus vertiefen?
Wie kann ich mich im Verzicht neu auf Gott ausrichten?«
Das klingt ihnen zu fromm?
Mag sein – aber es wäre ein Chance für Sie persönlich, für unsere Gemeinde und unsere Welt.
Nutzen wir sie – nicht nur theoretisch…
Amen