Beim WegweiserGottesdienst am 5. September in der Martin-Luther-Kirche hatte Helmut Haas folgende Predigt zu biblischen Geschichte von Lea und Rahel gehalten:
Thema: „Ich mag dich fast so wie du bist…“
Einleitung
Kennen Sie das?
Sie kommen ins Badezimmer und möchten ihre Zähne putzen – sollte man ja regelmäßig tun. Sie nehmen die Zahnpastatube in die Hand und stellen fest, dass der Deckel schon wieder nicht richtig drauf geschraubt ist. Und Sie denken:
„Es würde mir so viel leichter fallen dich zu mögen wie du bist, wenn du den Deckel richtig auf diese blöde Zahnpastatube schrauben würdest.“
Ihnen passiert das nie?
Dann wird bei Ihnen immer der Deckel richtig drauf geschraubt…
…oder Sie schrauben ihn nie richtig drauf.
Ich mag dich fast so wie du bist…
Dann kommen Sie in die Küche und holen sich um ein Haar an der ersten der offen stehenden Schubladen einen blauen Fleck..
Ich mag dich fast so wie du bist…
Und die Treppe im Haus ist voll gestellt mit den unterschiedlichsten Gegenständen, so dass man kaum laufen kann.
Ich mag dich fast so wie du bist…
Es sind oft die kleinen Dinge, die Anlass geben zu größeren Auseinandersetzungen. Zu Beginn einer Beziehung ist man oft der Meinung, dass man den Partner schon noch im Laufe der Zeit so hinbekommt, wie man sich das vorstellt. Man meint, man könnte ihn nach seinen Vorstellungen formen.
Nach über 40 Jahren Ehe muss ich sagen: das ist eine Illusion.
Jakob und seine Frauen
Das zeigt auch die folgende Familiengeschichte aus der Bibel:
Jakob, einer der biblischen Erzväter und Enkel von Abraham, hat seinen Zwillingsbruder Esau mit dem Erstgeburtsrecht übern Tisch gezogen. Dazu mit Hilfe seiner Mutter den blinden Vater Isaak hinters Licht geführt. Danach war es wohl besser, für einige Zeit von der Bildfläche zu verschwinden.
Denn sein Bruder Esau mochte ihn nur fast so wie er war…
…er wollte ihn schlicht und ergreifend umbringen.
So reist Jakob nach Haran zu seinem Onkel Laban. Der hatte 2 Töchter, Lea und Rahel. Über diese beiden Töchter heißt es:
Leas Augen waren ohne Glanz, Rahel dagegen war schön von Gestalt und von Angesicht.
In wen sich Jakob wohl verliebt hat? 2x dürfen Sie raten.
Um die schöne Rahel heiraten zu dürfen, willigte er ein, 7 Jahre für Laban zu arbeiten. Endlich kam es zur ersehnten Hochzeit. Aber Jakob verlief sich wohl auf dem Weg in die Hochzeitssuite. Denn am nächsten Morgen, nach der Hochzeitsnacht, entdeckte er mit Entsetzen, dass nicht Rahel sondern Lea neben ihm lag.
Ich mag dich fast so wie du bist, Lea…
…aber deine Schwester Rahel hat eindeutig die schöneren Augen.
Was mag Lea an diesem Morgen gefühlt haben? Aufgewachsen in einer Kultur, in der ihr Wert als Frau an ihrer äußeren Erscheinung festgemacht wird. Und ihr Vater glaubt, dass er sie nur unter die Haube bekommt, indem er sie heimlich dem Verlobten ihrer Schwester unterjubelt. Und am ersten Tag ihrer Ehe bekommt Lea dann noch die volle Ablehnung Jakobs zu spüren.
Wie groß muss die Verletzung bei Lea gewesen sein.
1 Woche später erhält Jakob seine geliebte Rahel dann doch noch zur Frau. Muss aber weitere 7 Jahre beim Schwiegervater dienen.
Und es heißt dann:
Er hatte Rahel lieber als Lea…
Das muss Lea jeden Tag einen Stich gegeben haben.
Da greift Gott ein:
Als aber der Herr sah, dass Lea ungeliebt war, machte er sie fruchtbar. Rahel aber war unfruchtbar.
Keine Kinder zu bekommen war ja zu biblischen Zeiten für eine Ehefrau eine Katastrophe, so auch für Rahel. Nun wird Lea schwanger und bringt ihren ersten Sohn zur Welt.
Welche Hoffnungen verbindet sie mit dem Stammhalter?
Der Herr hat angesehen mein Elend. Nun wird mich mein Mann liebhaben.
Pfeifendeckel – Lea, ich mag dich nur fast so wie du bist…
Lea sehnt sich danach geliebt zu werden. So wie sie ist, ohne wenn und aber. Von Jakob erhält sie diese Liebe offensichtlich nicht. Auch der Sohn kann die Beziehung nicht retten. Lea bleibt ungeliebt.
Auch beim 2. Sohn hat sie sich noch Hoffnungen gemacht. Aber auch diesmal wird ihre Hoffnung enttäuscht. Sie erfährt nicht die erhoffte Liebe.
Beim 3. Sohn denkt sie noch, wenn er mich schon nicht liebt, dann wird er mir doch ein bisschen Anerkennung zu kommen lassen. Wenigstens ein bisschen Zuneigung könnte Jakob ja zeigen.
Keine Chance. Lea, du bist nicht Rahel.
Beim 4. Sohn hat sie aufgegeben, sie dankt Gott für den Sohn.
Leas Fazit:
Jakob mag mich nur fast so wie ich bin – trotz der 4 Söhne, die ich ihm geschenkt habe. Vermutlich wird er seine Meinung nie ändern und mich nie so lieben wie meine jüngere Schwester Rahel. Er wird mich nie lieben so wie ich bin.
Aber Lea wusste, dass Gott sie sah und sie liebte. Und zwar so, wie sie war – nicht nur fast so wie sie war. Das war Jakobs Part.
Was Jakob offensichtlich kalt lässt, bringt die geliebte Rahel in Rage:
Als Rahel sah, dass sie Jakob keine Kinder gebar, beneidete sie ihre Schwester und sprach zu Jakob: „Schaffe mir Kinder, wenn nicht, so sterbe ich.“
Rahel greift zu einem damals durchaus üblichen Mittel – sie gibt Jakob ihre Leibmagd Bilha zur Frau, als Leihmutter sozusagen.
Damit brach Rahel einen wahren Geburtenkrieg zwischen den beiden Schwestern vom Zaun. Nachdem Bilha 2 Söhne zur Welt brachte, sagt Rahel:
Über alle Maßen habe ich gekämpft mit meiner Schwester, und ich habe gesiegt.
Ich mag dich fast so wie du bist…
…liebe große Schwester. Anfangs hast nur du Kinder bekommen. Jetzt aber habe ich dich besiegt.
Als Revanche gibt Lea ihrem Mann Jakob ihre Leibmagd Silpa zur Frau. Auch die wird 2x schwanger und bringt Söhne zur Welt.
Lea selbst bringt dann nochmals 2 Söhne zur Welt. Aber kein Wort mehr von Liebe, kein Wort mehr von mögen. Lea erwartet nur noch, dass Jakob sie ehrt. Sie hat erkannt, dass Jakob sie nur fast so mag wie sie ist. Sie ist eben nicht Rahel. Und dagegen kommt sie nicht an. Das wird immer so bleiben.
Wirklich gewonnen hat Rahel noch nicht. Denn sie selbst hat immer noch keine eigenen Kinder. Doch dann wird auch Rahel schwanger und sagt:
„Gott hat meine Schmach von mir genommen“; und sie nannte ihren Sohn Josef .
Keine Kinder zu bekommen war damals für eine verheiratete Frau eine Schmach. Da halfen auch nicht die 2 Söhne der Leibmagd.
Rahel bringt später noch ihren 2. Sohn Benjamin zur Welt. Bei dessen Geburt allerdings stirbt sie.
Beide Söhne, Josef und Benjamin, wachsen Jakob in besonderer Weise ans Herz, was folgenschwere Auswirkungen auf die Beziehung zwischen den Brüdern haben wird. Das aber nach dem nächsten Lied.
Josef und seine Brüder
Wer meint, dass es ab jetzt in dieser Familie friedlicher zugehen würde, der täuscht sich gewaltig. Jakob hatte nämlich Josef lieber als alle seine Söhne und bevorzugte ihn. Seine Brüder wurden ihm feind und konnten ihm kein freundliches Wort sagen.
Lieber Josef, wir mögen dich nur fast so wie du bist…
…denn was du da so bringst, geht gar nicht. Du bist nicht nur der Lieblingssohn des Vaters, sondern auch noch eingebildet und arrogant.
Seine Brüder mochten ihn nur fast so wie er war…
…sie wollen ihn schlicht und ergreifend umbringen.
Es plagen sie dann aber doch noch in letzter Sekunde Skrupel. So verkaufen sie ihn für 20 Silberstücke als Sklaven nach Ägypten. Dem Vater tischen sie die Story vom wilden Tier auf, das Josef angeblich getötet haben soll.
Und dann folgt die wechselvolle Geschichte Josefs in Ägypten. Schließlich wird er nach dem Pharao 2. Mann im Staat.
Am Ende treffen die Brüder wieder auf Josef. Sie befürchten, nach dem Tod des Vaters, dass Josef Rache an ihnen nehmen könnte.
Wie soll er sie auch mögen wie sie sind, nachdem sie ihm das Alles angetan haben.
Und Josef handelt unerwartet als er zu ihnen sagte:
„Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen… So fürchtet euch nun nicht… Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.“
Seine Brüder konnten ihm kein freundliches Wort sagen. Er aber redete freundlich mit ihnen und brachte die Beziehung zu seinen Brüdern wieder in Ordnung.
Wodurch?
Durch Vergebung.
Was ihre beiden Mütter, Lea und Rahel, nicht zustande brachten, hat Josef durch sein Verhalten erreicht – dass die Beziehung zu seinen Brüdern wieder in Ordnung kam. Josef hat es geschafft, dass Menschen sich wieder mögen ganz so wie sie sind.
Da sage einer biblische Geschichten seien langweilig.
Jesus mag dich so wie du bist
Wir Menschen sind als soziale Wesen angelegt auf echte tiefe Beziehungen. Wir möchten dazu gehören. Bindungen eingehen. Angenommen sein. Vertrautheit und Nähe erfahren.
Wir möchten von anderen nicht hören:
Ich mag dich fast so wie du bist…
Denn das verletzt. In menschlichen Beziehungen werden wir aber immer ein Stück weit enttäuscht und verletzt.
Einer mag dich so wie du bist. Er nimmt dich an, ohne Vorbedingungen, die Du erfüllen solltest. Und er ist der Einzige, der dich verändern kann. Nachhaltig. Und zum Besseren.
Dieser Eine ist allein Jesus Christus.
Ich mag dich fast so wie du bist…
…das ist eine Haltung
- die verletzt
- die eine tiefe, enge und vertraute Beziehung verhindert
- die Nähe nicht zulässt
- die vermittelt, du bist ungeliebt
Wir benötigen aber Nähe und vertraute Beziehungen. Vor allen Dingen aber geliebt zu sein.
Wenn wir, jeder von uns, sich von Jesus geliebt und angenommen weiß. Weiß, dass Jesus ihn mag so wie er bzw. sie ist.
Haben wir dann das Recht Andere nur fast so zu mögen wie sie sind?
Dabei geht es nicht um Sympathie und Antipathie. Sondern um Nächstenliebe, wie Jesus sie von uns fordert.
Jesus liebt dich, ist barmherzig und vergibt dir all deine Schuld. Durch Vergebung kann wieder eine enge und vertraute Beziehung zum Vater im Himmel wachsen. Gott sehnt sich nach dieser Vertrautheit mit dir. Er mag dich so wie du bist – ohne wenn und aber. Und er möchte, dass wir – du und ich – enge und vertraute Beziehungen zu unseren Mitmenschen aufbauen.
Und du?
Amen