‚Ich bin doch nicht dumm‘ sagt sich die Dummheit. Predigt zu Sprüche 8,22-36

‚Ich bin doch nicht dumm‘ sagt sich die Dummheit. Predigt zu Sprüche 8,22-36 (vom 11. Mai 2025)

„Ich bin doch nicht dumm“ sagt sich die Gier und greift zu.

„Ich bin doch nicht dumm“ sagt sich die Gleichgültigkeit und schaut weg.

„Ich bin doch nicht dumm“ sagt sich die Faulheit und bleibt sitzen.

„Ich bin doch nicht dumm“ sagt sich die Dummheit und steht dazu.

Die Dummheit weiß sich selbst zu loben, mitunter in höchsten Tönen. Der Humanist Erasmus von Rotterdam hat ihrem Lob ein ganzes Buch gewidmet: Moriae encomium, auf Deutsch: Lob der Torheit. 1511 in Paris zum ersten Mal gedruckt wurde das satirische Lob der Dumm­heit (laus stultitiae) zum frühneuzeitlichen Bestseller. In einer Neuauflage wurde es 1515 durch Johann Froben in Basel herausgebracht und dazu mit 83 Handzeichnungen des Malers Hans Holbein d. J. illustriert. Es kann als Weltliteratur gelten. Da tritt Stultitia, also die „Dummheit“, als Frau mit „schlechtem Ruf“ an ein Katheder, bekennt sich als personifizierte Torheit und lobt genussvoll ihre „Tugenden“:

„Mögen die Menschen in aller Welt von mir sagen, was sie wollen –  weiß ich doch, wie übel von der Torheit auch die ärgsten Toren reden –, es bleibt dabei: Mir, ja mir ganz allein und meiner Kraft haben es Götter und Menschen zu danken, wenn sie heiter und frohgemut sind.“

In ironischer Überzeichnung lässt Erasmus die Dummheit, die sich mit ihren Töchtern Eigenliebe, Schmeichelei, Vergesslichkeit, Faulheit und Lust die Welt untertan gemacht hat, sich loben, und zielt dabei auf die Dummheiten und Laster der Menschen.

Was ist nun eigentlich Dummheit? Wer für eine Antwort einen Intelligenztest anführt, also die Dummheit im Sinne einer Minderintelligenz zu messen glaubt, hat sich verrechnet. Dummheit ist Selbstüberschätzung, der vermessene Glaube an sich selbst. Und der kann auch bei sehr intelligenten Menschen am Werk sein: Was ich durchdacht habe, was ich begriffen habe, das gilt allein. So wie ich die Welt sehe, ist sie richtig.

Passend dazu erzählt Jesus die Parabel vom reichen Kornbauer, der seine reiche Ernte in vergrößerten Scheuen sammeln will, um an den die eigenen Lebensfrüchte sich genügen zu lassen:

Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“ Doch da fällt ihm der Gott ins Wort: „Du Narr (aphrōn)! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.“ (Lukas 12,16-21)

Wer meint, für sich selbst ausgesorgt zu haben und die eigenen Lebensumstände als garantiert ansieht, lässt die Dummheit triumphieren. Mitunter erweisen sich Selbstoptimierer als die Dümmsten, weil sie eben im Augen- und Seelenblick so auf sich selbst fixiert sind, dass sie sich Gottes Güte verweigern. Was für eine Dummheit: So wie ich die Dinge für mich selbst sehe, sind sie eben nicht dauerhaft gültig.

Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen. Mit ihr ist schwer zurechtzukommen. Dietrich Bonhoeffer schreibt dazu an der Wende zum Jahr 1943:

„Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt.
Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch -, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden.
Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.“ (Nach zehn Jahren)

Wo Menschen nicht weiterkommen, nimmt Gottes Weisheit es mit den beiden – Dummheit und Torheit – auf. Im Buch der Sprüche weiß sich die Weisheit uranfänglich tiefgründig an göttlicher Seite und spricht uns darin an:

22 Der HERR hat mich geschaffen als Anfang seines Weges, /
vor seinen Werken in der Urzeit;
23 in frühester Zeit wurde ich gebildet, /
am Anfang, beim Ursprung der Erde.
24 Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, /
als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen.
25 Ehe die Berge eingesenkt wurden, /
vor den Hügeln wurde ich geboren.
26 Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren /
und alle Schollen des Festlands.
27 Als er den Himmel baute, war ich dabei, /
als er den Erdkreis abmaß über den Wassern,
28 als er droben die Wolken befestigte /
und Quellen strömen ließ aus dem Urmeer,
29 als er dem Meer sein Gesetz gab /
und die Wasser nicht seinen Befehl übertreten durften, /
als er die Fundamente der Erde abmaß,
30 da war ich als geliebtes Kind bei ihm. /
Ich war seine Freude Tag für Tag /
und spielte vor ihm allezeit.
31 Ich spielte auf seinem Erdenrund /
und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.

Gottes Weisheit ist spielerisch in Bewegung, nicht festgefahren, klopft an, berührt. So findet sie uns. Von Vernunft und Logik ist vielfach die Rede. Aber damit ist nicht dem ganzen Weltgeschehen beizukommen. Bewegungen und Berührungen ereignen sich immer wieder neu, die nicht mit Vernunft zu erfassen sind, sondern das Leben spielen lassen. Passend dazu schreibt Hans Ferdinand Fuhs:

„Spiel vermag zur Realität auf Distanz zu gehen und sie zugleich zu verwandeln. Spiel heißt, ungesichert mit Möglichkeiten umzugehen und mit offenen Fragen zu leben, nicht gleich in allem einen letzten Sinn entdecken zu müssen, die Freiheit zu haben, dem Zwang eines geschlossenen Welt- und Lebensordnungssystems zu widerstehen.“

Spielerisch kommt Gottes Weisheit auf uns zu, sucht uns in die seine Gegenwart zu entführen, die all das, was wir in unseren eigenen Lebensblick nehmen, himmelweit übersteigt. Spielerisch führt sie über den Tellerrand des eigenen Lebens hinaus, wo es „alles für mich“ heißt. Spielerisch führt sie heraus raus aus dem Tunnelblick der eigenen Lebensangst. Über alle Vorurteile und Selbstgewissheiten hinweg lässt uns die Weisheit staunen, was außerhalb unserer selbst für uns göttlich vorgesehen ist.

Unser Leben verdanken wir qua Geburt uns nicht selbst. Wir finden uns in Zusammenhängen und Zugehörigkeiten wieder, die wir nicht selbst bewerkstelligen können. Dass unser Leben im Zusammenspiel mit anderen so viel Fügung, glückliche Fügung hat, lässt uns die göttliche Weisheit erkennen. Und dass unser Lebensschicksal mit Sünde und Tod über uns nicht das letzte Wort behält, lässt uns der gekreuzigte und auferstandene Christus glauben, „der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung“ (1.Korinther 1,30).

„Ich bin doch nicht dumm“, sagt sich die Gier.

„Ich bin doch nicht dumm“ sagt sich die Gleichgültigkeit,

„Ich bin doch nicht dumm“ sagt sich die Faulheit.,

„Ich bin doch nicht dumm“ sagt sich die Dummheit.

Wider alle selbstgefällige und hoffnungslose Dummheit behält Gottes Weisheit das letzte Wort:

32 Nun, ihr Kinder, hört auf mich! /
Selig, die auf meine Wege achten.
33 Hört die Mahnung und werdet weise, /
lehnt sie nicht ab!
34 Selig der Mensch, der auf mich hört, /
der Tag für Tag an meinen Toren wacht /
und meine Türpfosten hütet.
35 Wer mich findet, findet Leben /
und erlangt das Gefallen des HERRN.
36 Doch wer mich verfehlt, der schadet sich selbst; /
alle, die mich hassen, lieben den Tod.
(Sprüche 8,32-36)

Jochen Teuffel

Hier der Text als pdf.

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