Die folgende Predigt hielt Dr. Helmut Haas am 31. Juli 2016 im WegweiserGottesdienst:
Folgende Geschichte macht deutlich, was leben im Jetzt bedeutet:
Ein junger, dynamischer Manager – kurz vor dem Burnout – kommt zu einem alten weisen Mann: “Herr”, fragt er “du bist so ausgeglichen und zufrieden – was tust du dafür, um so zu sein? Mir fehlt das…” Der Alte antwortet mit mildem Lächeln: “Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich renne, dann renne ich und wenn ich esse, dann esse ich.” Der Jungmanager schaut den alten Mann etwas betreten an. Dann platzt er heraus: “Bitte, treib keinen Spott mit mir. Was du sagst, tue ich auch. Ich schlafe, esse, gehe und renne. Aber ich bin nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?” Es kam die gleiche Antwort: “Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich renne, dann renne ich und wenn ich esse, dann esse ich.” Die Unruhe und den Unmut des jungen Mannes spürend fügt der weise Mann nach einer Weile hinzu: “Sicher liegst Du auch und Du gehst auch und Du isst. Aber während Du liegst, denkst Du schon ans Aufstehen. Während Du aufsteht, überlegst Du wohin Du gehst, während Du gehst, rennst Du schon und während Du rennst fragst Du Dich, was Du essen wirst. So sind Deine Gedanken ständig woanders und nicht da, wo Du gerade bist. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Lasse Dich auf diesen nicht messbaren Augenblick ganz ein und Du hast die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein.”
Erkennen wir uns da ein Stück weit wieder?
Überlegen Sie schon, was nach dem Gottesdienst alles zu tun und zu erledigen ist – oder was Sie unternehmen werden, wenn Sie hier raus kommen…
…und verpassen dabei das Wesentliche des Gottesdienstes?
Denken Sie heute schon daran, was am morgigen Montag nicht alles zu tun ist – checken die Mails und den Terminkalender auf dem Smartphone – anstatt den Sonntag zu genießen als Ruhetag? Schauen Sie sich mal den Schöpfungsbericht an – Gott erschuf den Menschen am 6. Tag und es war alles sehr gut. Der erste Tag im Leben des Menschen war dann der 7. Schöpfungstag – ein Ruhetag…
Nicht viel anders verhält es sich auch mit unserer Neigung, das Leben auf die Zukunft zu verschieben:
• wenn die Schule erst zu Ende ist, dann beginnt das Leben.
• wenn ich dann die Ausbildung abgeschlossen habe und Geld verdiene, dann geht das Leben erst richtig los.
• wenn ich meine Karriereziele erreicht habe, dann können wir uns was leisten.
• wenn das Haus abbezahlt und die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, dann genießen wir das Leben und die Freiheit.
• im Ruhestand, da haben wir Zeit für das Leben
• und dann ist auf einmal Schluss…
…hoppla – und bei all dem haben wir vergessen zu leben.
Erst verschieben wir das Leben auf die Zukunft und dann, wenn die Zukunft nichts mehr hergibt, dann leben wir in der Vergangenheit…
…hätten wir doch damals, als wir noch konnten.
Und wann leben wir im Jetzt?
Da können wir von kleinen Kindern lernen…
…wenn sie im Spiel vertieft sind, dann leben sie ganz im Jetzt und vergessen alles um sich herum.
Und wir können das als Erwachsene auch immer wieder erleben, wenn wir uns ganz intensiv mit etwas beschäftigen. Mir geht das beim Mountainbiken so – Flow nennt das die Psychologie, das völlige Aufgehen im Moment, das Einswerden mit seinem Tun. Leben – jetzt in der Gegenwart, weder in der Zukunft noch in der Vergangenheit. Leben im Jetzt – bei allen Schwierigkeiten, allen Unzulänglichkeiten, allen Bedrohungen, bei allen Tagen, die uns sinnlos erscheinen.
Die Frage ist dabei: in wessen Hand steht meine Zeit?
Lied: Meine Zeit steht in deinen Händen
Alles hat seine Zeit – das wissen wir aus der Natur, den Jahreszeiten, dem Rhythmus von pflanzen, blühen, reifen und Frucht bringen, sowie ruhen. Man kann Erdbeeren nur ernten, wenn Erdbeerzeit ist und die Rosen nur in die Vase stellen, wenn sie draußen im Garten blühen. Alles hat seine Zeit – nein, werden Sie vielleicht jetzt denken – heute kann man das ganze Jahr über Erdbeeren und Rosen haben. So wie man im Januar Badeurlaub in der Südsee machen kann.
Alles ist immer möglich – da denken wir oft ganz anders, ticken ganz anders…
…alles zu jeder Zeit und sofort. Dann gibt es auch mal frische Erdbeeren zum Nachtisch beim Weihnachtsmenue – man kann sie ja aus Südafrika einfliegen lassen…
Sind wir es nicht schon gewohnt immer alles sofort zu bekommen?
Hören wir mal, was Salomo im Buch Prediger dazu schreibt:
Text: Prediger 3, 1 – 14
Diese Worte drücken auf den ersten Blick ein vertrautes Zeitgefühl aus:
Eine melancholische Lebenshaltung, das Gefühl der Vergänglichkeit – alles geht vorbei, und am Schluss bleibt nichts von dem übrig, was uns einmal wichtig war. Der Prediger Salomo scheint dieses Empfinden zu bestätigen. Es ist eitel, was wir tun ist vergeblich. Man macht sich etwas vor, wenn man mehr erwartet. In Wirklichkeit gleicht all unser Treiben und Schaffen einem bunten, prall gefüllten Luftballon. Ein Nadelstich – und alle Illusionen sind zerplatzt.
Alles hat seine Zeit – alles kommt, wie es kommt. Man kann nichts erzwingen, man kann nichts ungeschehen machen. Man muss es nehmen wie es kommt.
Schicksal?
Ist es das, was der Prediger in unserem Abschnitt meint?
Es ist schon richtig:
er macht sich keine Illusionen und keine falschen Hoffnungen über den Lauf der Welt. Er sieht es recht realistisch, aber pessimistisch ist er nicht. Der Prediger will keinen Fatalismus verbreiten. Er will nicht vermitteln, dass ein blindes Schicksal unser Leben bestimmt.
Der Prediger hat eine andere Botschaft:
Gott hat alles wohl geordnet. Gott hat einen Plan und er hat alles in seiner Hand.
Alles hat seine Zeit und ich darf das, was ich habe, genießen – genießen und dankbar aus Gottes Hand nehmen. Jetzt.
Alles hat seine Zeit – wie oft meinen wir, dass etwas unbedingt fertig werden muss. Aber es läuft nur zäh oder gar nicht. Mit aller Gewalt versuchen wir ein Vorwärtskommen zu erzielen. Letztlich ist aber die Zeit nicht reif dafür.
Beispiel die Vorbereitung zu dieser Predigt: seit 7 Wochen steht das Thema fest, 6 Wochen lang lief so gut wie nichts – keine Ideen, keine Motivation, kein Antrieb. Kennen Sie das auch aus ihrem Leben? Samstag vor einer Woche war Gartenfest innerhalb der Familie. Da hab ich mich auch darüber mit unserem ältesten Sohn unterhalten. Dann sagt er: Papa, geh doch einfach mal Biken.
Diesen Rat hab ich dann am vergangenen Montagabend in die Tat umgesetzt. Beim Biken kann ich relativ schnell abschalten und schon nach den ersten paar Kilometern hab ich begonnen mit Gott zu reden – ich hab gebetet. Keine Angst – man kann auch beten ohne die Hände zu falten und die Augen zu schließen…
…hätte beim Mountainbiken u.U. fatale Folgen.
Meine Frage an Gott war:
Vater im Himmel, was ist an diesem Sonntag dran aus deiner Sicht?
Knapp 2 Stunden später, als ich wieder wohlbehalten zuhause ankam, stand das Konzept für die Predigt.
Alles hat seine Zeit.
Es lassen sich Dinge oft nicht erzwingen, wenn es noch nicht dran ist.
Alles hat seine Zeit.
Gott hat es wohl geordnet – und Gott hat einen Plan, auch einen Plan für mein Leben und für ihr Leben…
..nicht erst nach der Schule, der Ausbildung, der Karriere, dem Hausbau, den Kindern, dem Ruhestand – nein, jetzt.
Das lässt sich sicher leichter sagen, wenn man darauf vertraut,
• dass Gott da ist
• dass unser Leben in seiner Hand ist
• dass er es gut mit uns meint.
Für viele Menschen ist das nicht selbstverständlich. Sie zucken mit den Schultern. Sie sagen, dass sie es nicht wissen. Sie reden vom Zufall oder vom Schicksal.
Der Prediger aber bestätigt uns in dem Vertrauen darauf, dass diese Welt nicht ein plan- und zielloses System ist, das nur den festgeschriebenen physikalischen und biologischen Gesetzen folgt. Dass wir eben nicht völlig beliebige Lebewesen sind, die die Evolution zufällig produziert hat.
Der Prediger bestätigt uns, dass diese Welt ihre Mitte hat und dass wir ein Gegenüber haben, vor dem wir uns verantworten sollen und dürfen.
Es lässt sich leichter leben, wenn man annehmen kann:
• Ich bin gewollt, so wie ich bin.
• Ich bin wertgeschätzt – und das kann ich im Grunde nicht verspielen. Ich bleibe es – komme, was da wolle.
• Gott meint es gut mit mir.
Dann kann ich auch darauf vertrauen, dass Gott einen Plan für mein Leben hat…
…auch dann, wenn wir es nicht vollständig ergründen können.
Aber wir können ihn danach fragen…
…dazu aber brauchen wir Zeit und Stille.
Stille – das ist nicht die Abwesenheit von Lärm, sondern die Gegenwart Gottes.
Stille Zeit – das heißt Zeit mit Gott verbringen. Das beinhaltet Reden mit Gott, aber nicht indem ich ihm alles, was mich beschäftigt, an den Kopf werfe nach dem Motto – schau mal, dass du das in Ordnung bringst und regelst bis zum nächsten Mal. Stille Zeit – das beinhaltet vor allem Hören. Hören, was Gott mir zu sagen hat: Rede du, mein Vater, heute zu mir.
Lied: Stille vor dir, mein Vater
Alles hat seine Zeit – Zeit zu reden und Zeit zu schweigen in der Gegenwart Gottes.
Da gibt uns der Prediger noch eine andere Sache mit auf den Weg:
Gott hat uns die Perspektive Ewigkeit ins Herz gelegt – zweifelsohne.
Sie ist nicht durch medizinische Untersuchungen zu finden (Röntgen, CT, MRT, etc.) – aber man kann sie spüren. Immer wieder neu…
…und man kann sie aber auch leider verdrängen, ignorieren, verneinen.
Aber Gott hat sie uns unwiederbringlich ins Herz gelegt.
Alles hat seine Zeit – auch das Geboren werden und das Sterben…
…und damit die Perspektive die Ewigkeit.
Leben wir mit dieser Perspektive Ewigkeit?
…oder blenden wir sie in unserem Leben aus?
Haben Sie diese Frage für sich persönlich geklärt – nicht für ihren Nachbarn, sondern für sich persönlich? Wenn nicht, dann sollten Sie das tun.
Wenn wir die Ewigkeit abschaffen, dann bleibt uns nur dieses kurze Leben, in dem wir alles auskosten müssen – nicht in Dankbarkeit genießen – sondern von einem Hype zum nächsten hetzen. Jeden Kick mitnehmen – ja nichts verpassen. Den neuesten Trend mitnehmen und den noch besseren Kick inhalieren. Zur Perspektive Ewigkeit gehört auch das ewige Leben. Was hat das mit unserem Thema „lebe im Jetzt“ zu tun?
Ewiges Leben, das ist
• keine Vertröstung aufs Jenseits
• kein zeitlich unbegrenztes Leben danach
• nichts, was erst in ferner Zukunft auf uns zu kommt.
Jesus sagt einmal:
Wer den Sohn hat (d.h. an ihn glaubt, ihm vertraut), der hat das ewige Leben.
Ewiges Leben – das ist keine quantitative Größe (im Sinne von zeitlich unbegrenzt), sondern eine qualitative Aussage.
Ewiges Leben ist ein Leben das sich lohnt – nicht erst im Jenseits, sondern bereits jetzt und hier.
Denn ewiges Leben heißt:
ein Leben in der Gegenwart und Gemeinschaft Gottes zu führen.
So war es ja ursprünglich geplant – lesen Sie es mal in der Schöpfungsgeschichte nach (1. Buch Mose).
Gott sehnt sich nach dieser Gemeinschaft mit uns Menschen und er will uns ein erfülltes Leben geben – nicht nur ein klein wenig, sondern die Fülle, überfließend. Das will Gott uns schenken.
Voraussetzung, auf die uns Jesus hinweist, heißt:
dass ich an Jesus Christus glaube…
…nicht, dass ich nur alles für wahr halte, was in der Bibel steht – das ist nicht glauben im biblischen Sinne.
Sondern Glauben heißt:
• Vertrauen
• eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus eingehen
• die Vergebung meiner Schuld durch seinen Kreuzestod für mich persönlich in Anspruch nehmen
• mein Leben nach seinem Willen ausrichten
Jesus will nicht nur Beifahrer sein, auch nicht nur Navi – er möchte das Steuer in unserem Leben übernehmen.
Wie sieht ihre Perspektive Ewigkeit aus?
• Welche Perspektive hab ich?
• Blende ich diese Frage in meinem Leben, in meinem Alltag aus?
• Wem habe ich mein Leben zu verdanken?
• Wer bestimmt letztendlich mein Leben?
Wenn wir die Perspektive Ewigkeit für uns geklärt haben, dann
• hat alles in unserem Leben seine Zeit
• nehme ich alles dankbar aus Gottes Hand
• genieße ich die Gegenwart, das Jetzt
• kann ich im Jetzt leben – mit Jesus.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie dieses ewige Leben haben.
Amen