Predigt über Markus 8,31-38 mit Blick auf den Krieg in der Ukraine

Predigt über Markus 8,31-38

Wer hat das Sagen, wenn es um die Zukunft geht? Wer hat das Sagen bezüglich dem, was getan werden muss? Wer hat jetzt das Sagen in der Welt oder zumindest in der Ukraine?

Um dieser Sagen-Frage nachzugehen, fange ich mit einem lateinischen Wort an – dictare –, das uns allen in der Schulzeit begegnet ist. Die Lehrerin diktiert Wort für Wort, was niederzuschreiben ist. Und hinterher wird dann das eigenhändig aufgeschriebene Diktat im Schulheft mit rotfarbigen Rechtschreibkorrekturen versehen. Dem vorgesprochenen, als dem diktierten Wort kommst Du als Schülerin nicht aus, du musst es gelten lassen, weil du nicht selbst das Sagen hast.

Im Evangelium hat Jesus gegenüber seinen Jüngern das Sagen, er diktiert ihnen, was auf ihn zukommen wird, Wort für Wort:

31 Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.

Sein Diktat wiederholt er im Evangelium nach Markus in den beiden darauffolgenden Kapiteln 9 und 10:

31 Der Menschensohn wird überantwortet werden in die Hände der Menschen, und sie werden ihn töten; und wenn er getötet ist, so wird er nach drei Tagen auferstehen.

33 Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und der Menschensohn wird überantwortet werden den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten, und sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden überantworten, 34 und die werden ihn verspotten und anspeien und geißeln und töten, und nach drei Tagen wird er auferstehen.

So spricht also Jesus seinen Jüngern in aller Offenheit aus, was auf ihn selbst zukommen wird. Doch seinem Diktat widerspricht einer, nämlich Petrus. Er will Jesu Worte nicht gelten lassen und geht ihn direkt an. Wir können uns seine Worte vorstellen:

„Du bist der Christus, der Messias! Warum lässt du dir das antun, dass andere dich quälen und zum Tode verurteilen? Wenn du weißt, was sie mit dir vorhaben, darfst du eben nicht geradewegs ins eigene Verderben gehen. Der Pfad vor uns führt doch nicht durch eine enge, felshängige Schlucht, aus der es keinen Ausweg geben kann. So viele Weggabelungen und Abzweigungen gibt es unterwegs, wo Du Dich doch immer wieder neu entscheiden kannst. Nichts darf alternativlos sein!“

Doch Jesus zeigt sich unbeirrbar. Er besteht auf seinen Worten und weist Petrus zurecht:

33 Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.

Petrus, Du Satan, Du Versucher. Deine Stimme lasse ich nicht gelten. Was mit dem Menschensohn zu geschehen hat, bestimmst du nicht. Wenn es um das Heil der Menschen geht, hast Du nicht das Sagen! „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ (Markus 10,45)

„Du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ Da sind nun auch wir angesprochen. Ganz menschlich ist es, dass jeder von uns das Sagen, das eigene Sagen haben und behalten will. Wir haben unsere Vorstellung, wie unser Leben gut zu gehen hat, was richtig und was falsch ist. Ja, was wirklich geschehen soll und was tatsächlich geschehen ist, soll von unserer eigenen Stimme, von unserem eigenen Willen getragen werden.

Doch auch uns gegenüber behält Jesus das Sagen und fordert Gehorsam heraus:

Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 35 Denn wer sein Leben behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten.

Seine Worte beanspruchen Menschen mit ihrem ganzen Leben. Er diktiert den Weg, den es zu gehen gilt, fordert die Nachfolge ein. Dieser Weg, den Jesus vorgesehen hat, ist kein Weg in ein Todesnichts, wo ein ganzes Leben geschluckt und zu Staub gemacht wird. Es ist sein eigener Lebensweg, der zur Auferstehung von den Toten führt. „Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.“

Glaubst Du an Jesu Auferstehung von den Toten, dann kannst Du dich auch auf seinen Lebensweg einlassen. „Wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten.“

In seiner Auferstehung von den Toten behält Jesus das Sagen. Und sein Sagen wird uns zur Zusage: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“ (Johannes 11,25)

Wie anders stehen Menschen da, die sich auf Dauer das eigene Sagen behalten wollen. Da sind wir nun tatsächlich bei dem Angriff auf die Ukraine, den ein Mensch, Wladimir Putin, zu verantworten hat. Dieser hat sich als russischer Präsident über zwei Jahrzehnte die Bevölkerung gefügig gemacht und dabei sich mit korrupten und kriminellen Gefolgsleuten umgeben. Er ist immer mehr mit sich selbst im Gespräch, kann andere Stimmen und Meinungen immer weniger gelten lassen. Als Diktator im Alter von 69 Jahren macht ihm das eigene Altern zu schaffen. Obwohl als Christ getauft kann er nicht wirklich an die Auferstehung der Toten mit Christus glauben. Dazu müsste er ja Jesu Zusage sein Glauben schenken: „Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ (Joh 14,19)

Ohne den Glauben an die Auferstehung von den Toten und ohne Hoffnung auf die Verwandlung unseres sterblichen Leibes in einen christusgleichen Leib im Himmel (vgl. Phil 3,20f) geht Wladimir Putin auf den eigenen Tod als großes Nichts zu. Was er jetzt sucht, ist das eigene Lebenswerk, das für sein Leben Sinn macht. Er möchte in seinem eigensinnigen Lebenswerk weiterleben. Und dazu die Vorstellung einer Erneuerung des russischen Imperiums als Herrschaftsraum, der auf eine Person, einen Diktator zugeschnitten ist. Diese Vorstellung hatte er übrigens schon vor 28 Jahren geäußert.

Pinochet als Vorbild

Neues Deutschland vom 31.12.1993

St. Petersburg (ND). Wladimir Putin, 2. Bürgermeister von St. Petersburg und Vorsitzender des Komitees für Außenbeziehungen der Sechs-Millionen-Stadt, hat vor deutschen Wirtschaftsvertretern deutlich gemacht, daß eine Militärdiktatur nach chilenischem Vorbild die für Rußland wünschenswerte Lösung der gegenwärtigen politischen Probleme wäre. Dies berichtet der WDR in dem TV-Feature „Aufbruch nach Osten“ (Montag, 3. Januar 1994, WEST 3 von 21.15 bis 21.45 Uhr). Putin antwortete auf Fragen von Vertretern von BASF, Dresdner Bank, Alcatel u. a., die im ehemaligen Petersburger DDR-Generalkonsulat zusammentrafen.

Dabei unterschied Putin zwischen „notwendiger“ und „krimineller“ Gewalt. Kriminell sei politische Gewalt, wenn sie auf die Beseitigung marktwirtschaftlicher Verhältnisse abziele, „notwendig“, wenn sie private Kapitalinvestitionen befördere oder schütze. Er, Putin, billige angesichts des schwierigen privatwirtschaftlichen Weges eventuelle Vorbereitungen Jelzins und des Militärs zur Herbeiführung einer Diktatur nach Pinochet-Vorbild ausdrücklich. Putins Ausführungen wurden sowohl von den deutschen Firmenvertretern als auch von dem anwesenden stellvertretenden deutschen Generalkonsul mit freundlichem Beifall aufgenommen.

Weil Putin als Diktator das Sagen behalten will und sich im Angesicht des eigenen Todes ein bleibendes Lebenswerk schaffen will, hat er die militärische Invasion der Ukraine befohlen, wissend, dass dies Tausenden von Menschen das eigene Leben kosten und vielfaches Leid und Zerstörung bewirken wird.

33 Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Jesu Wort an Petrus ist auch für unsere Ohren bestimmt.

Wer sich selbst das eigene Sagen bewahren will, liefert sich dem Tod hoffnungslos aus. Wir leben nicht in unseren Lebensleistungen und in unserem Lebenswerk weiter. Jesus Christus behält das Sagen über das, was mit uns geschehen wird.

„31 Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.“

Den Weg, den Jesus für sich vorgesehen hat, ist kein Weg in ein Todesnichts, wo ein ganzes Leben geschluckt und zu Staub gemacht wird. Es ist der eigene Lebensweg, der zur Auferstehung von den Toten und zur Gemeinschaft mit dem Vater im Himmel führt. In seiner Auferstehung von den Toten behält Jesus das Sagen. Und sein Sagen wird uns zur Zusage: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“ (Johannes 11,25)

Amen.

Jochen Teuffel

Hier die Predigt zum Ausdruck als pdf.

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