„Advent – worauf warten wir eigentlich noch?“ Predigt von Helmut Haas beim Wegweisergottesdienst zum 1. Advent

Advent – eine Begriffserklärung

Wir feiern heute den 1. Advent.

Advent – dieser Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutete im Römischen Reich die Ankunft oder der Besuch eines Amtsträ­gers, vor allen Dingen von Königen und Kaisern.

Dieses Wort Advent übernahmen die Christen, um ihre Beziehung zu Jesus Christus, dem König, zum Ausdruck zu bringen – in Bezug zu seiner Menschwerdung und zu seiner Wiederkunft. Jesus, er kam an und er wird ankommen.

Wir stehen am Beginn der Adventszeit. Sie war anfangs – vermut­lich ab Mitte des 4. Jahrhunderts – eine Fastenzeit. Sie wurde fest­gelegt auf die Tage zwischen dem Martinstag (11. November) und dem ursprünglichen Termin, an dem die Geburt Jesu gefeiert wurde, Epiphanias, dem Fest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar. Ge­fastet wurde zunächst an drei Tagen pro Woche, später an allen Ta­gen außer an den Samstagen und Sonntagen. In den acht Wochen vom Martinsfest bis Epiphanias ergaben sich – ohne die Wochenen­den – 40 Fastentage, entsprechend der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern und angelehnt an die 40 Tage, die Jesu in der Wüste ver­brachte und fastete.

Die Adventszeit in der heutigen drei- bis vierwöchigen Form, mit Be­zug auf das Weihnachtsfest am 25. Dezember, geht auf das 7. Jahr­hundert zurück. Papst Gregor der Große legte die Zahl der Sonnta­ge im Advent für die Westkirche in Rom auf vier fest.

Mit der Zeit entwickelten sich diverse Adventsbräuche:

  • Adventskranz

Zu den bekanntesten Bräuchen der Adventszeit gehört sicherlich der Adventskranz. Er weist mit seinen vier Kerzen auf das Licht hin, das mit Christus in die Welt gekommen ist und nimmt die 4 Adventssonntage auf.

1839 ließ der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern im Betsaal des „Rauhen Hauses“ in Hamburg erstmals einen hölzer­nen Leuchter mit 23 Kerzen aufhängen – 19 kleine rote für die Werktage bis Heilig Abend, vier dicke weiße für die Adventssonn­tage. Ursprünglich war das „Rauhe Haus“ ein Ort für verhaltens­auffällige oder straffällig gewordene arme Hamburger Kinder. Dort lebten die Kinder nach dem Familienprinzip in Wohngruppen und wurden auf eine Lehre im Handwerk oder auf eine Tätigkeit als Dienstmädchen vorbereitet. Der Adventskranz sollte den Kin­dern die Wartezeit bis Heilig Abend konkret vor Augen führen.

  • Adventskalender

Auch der Adventskalender war zunächst vor allem Zählhilfe und Zeitmesser. Zurückgehend auf verschiedene im 19. Jahrhundert entstandene Bräuche des Abzählens der Tage bis zum Weih­nachtsfest, entstanden seit Beginn des 20. Jahrhunderts, insbe­sondere für Kinder, Adventskalender verschiedener Ausprägung. Seit 1920 war er mit zu öffnenden Türen ausgestattet. Dabei ha­ben Adventskalender meist 24 Türen, von denen vom 1. bis zum 24. Dezember jeden Tag eine geöffnet werden darf. Alternativ gibt es auch liturgische Adventskalender, die jeweils am ersten Ad­ventssonntag beginnen und Türchen bis zum 6. Januar, dem Fest der Erscheinung des Herrn, haben. Außerdem haben sie vier zu­sätzliche Türchen für die Adventssonntage.

Mancherorts werden auch Fassaden von Gebäuden als Advents­kalender gestaltet.

  • Lichter und Lichterbögen

Als erzgebirgischer Bergarbeitertradition findet sich während der Advents- und Weihnachtszeit ab Einbruch der Dunkelheit in vie­len Fenster ein mit Kerzen beleuchteter Schwibbogen. In der dunklen Jahreszeit brachte er die Sehnsucht der Bergleute nach dem Sonnenlicht zum Ausdruck, die während der Wintermonate noch bei Dunkelheit in den Stollen einrückten und erst nachts wieder auf dem Heimweg waren. Jedes Licht stellte ursprünglich eine aus dem Berg zurückgebrachte Grubenlaterne dar. Ein voll­ständiger Lichtbogen am Haus bedeutet, dass alle Arbeiter die­ses Hauses wohlbehalten aus der Grube zurückgekommen sind.

In manchen Kirchen brennt in der Advents- und Weihnachtszeit in einer Laterne eine Kerze mit dem Friedenslicht, das in der Ge­burtskirche in Bethlehem entzündet und in einer Lichtstafette in Europa verbreitet wird.

Die Kommerzialisierung macht auch vor Advent nicht Halt

Ab September gibt es in vielen Läden Lebkuchen und Weihnachts­dekoration zu kaufen. Angeblich schmecken die frischen Lebkuchen zu der Zeit noch am besten.

In meiner Kindheit haben wir ab Heilig Abend selbst gebackenes Weihnachtsgebäck bekommen – in der Adventszeit gab es derlei nicht.

Heute gibt es Adventskalender in unterschiedlichen Formen und Füllungen zu kaufen – von Schokolade über Kosmetika bis hin zu 24 Sorten Whisky.

In meiner Kindheit gab es nur Adventskalender mit Türchen und mit einem Bildchen dahinter.

Die Adventszeit ist heute, mit dem Weihnachtsgeschäft, die umsatz­stärkste Zeit im Einzelhandel.

Was haben wir aus Advent gemacht?

Aus einer Fastenzeit eine Zeit des Konsums und des Kommerzes?

Lied Macht hoch dir Tür… (1 – 3 und 5)

Advent – Ankunft

Das Warten auf die Ankunft des Erlösers, des Messias, war im Volk Israel allgegenwärtig. Hören wir von einem Menschen für den sich diese Erwartung ganz konkret erfüllte:

Simeon

Damals lebte in Jerusalem ein Mann namens Simeon; er war rechtschaffen, richtete sich nach Gottes Willen und wartete auf die Hilfe für Israel. Der Heilige Geist ruhte auf ihm, und durch den Heiligen Geist war ihm auch gezeigt worden, dass er nicht ster­ben werde, bevor er den vom Herrn gesandten Messias gesehen habe. Vom Geist geleitet, war er an jenem Tag in den Tempel ge­kommen. Als nun Jesu Eltern das Kind hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme, pries Gott und sagte:

»Herr, nun kann dein Diener in Frieden sterben, denn du hast deine Zusage erfüllt. Mit eigenen Augen habe ich das Heil gese­hen, das du für alle Völker bereitet hast – ein Licht, das die Natio­nen erleuchtet, und der Ruhm deines Volkes Israel.«

Jesu Vater und Mutter waren erstaunt, als sie Simeon so über ihr Kind reden hörten. Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu:

»Er ist dazu bestimmt, dass viele in Israel an ihm zu Fall kommen und viele durch ihn aufgerichtet werden. Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird – so sehr, dass auch dir ein Schwert durch die Seele dringen wird. Aber dadurch wird bei vielen an den Tag kommen, was für Gedanken in ihren Herzen sind.«

(Lukas 2, 25 – 35)

Warten auf die Ankunft des Messias

Es gibt viele Verheißungen im AT auf das Kommen des Erlösers hin, vor allen Dingen bei Jesaja. Auf die Erfüllung dieser Verheißungen wartete das Volk Israel lange Zeit.

In der Geburt Jesu, damals in Bethlehem, fanden diese Verheißun­gen ihre Erfüllung. Und Simeon hat diese Erfüllung hautnah erleben dürfen. Er erhielt auch eine ganz persönliche Zusage:

Er würde den verheißenen Messias zu Lebzeiten sehen. Und er hat das Jesus­kind in den Armen halten dürfen.

Dieses Ereignis, die Geburt des verheißenen Messias, feiern wir noch heute an Weihnachten, so zu sagen als große Geburtstags­party.

Aber was hat dieses Geschehen vor ca. 2.000 Jahren mit meinem persönlichen Leben heute zu tun?

Ist Advent heute noch sinnvoll und aktuell,

  • wenn der Messias bereits vor ca. 2.000 Jahren auf die Welt ge­kommen ist?
  • wenn die Ankunft bereits Jahrtausende zurückliegt und sich alle diesbezüglichen Verheißungen erfüllt haben?

Wenn das Warten auf den Messias heute nicht mehr sinnvoll und der Inhalt von Advent ist, dann muss ich Advent anderweitig mit In­halt füllen – und wenn es Konsum und Kommerz sind.

Was kann Advent dann, angesichts dessen, anders für uns sein?

Lied Ein Warten…

Mit welchen Inhalten füllst Du die Adventszeit persönlich?

Auf wen oder was wartest Du?

Wer oder was kommt bei Dir an?

Dazu 2 Gedankenanstöße:

  1. Jesus möchte heute zu Dir kommen, in deinem Leben, in dei­nem Herzen ankommen – Advent ganz persönlich für Dich.

Vielleicht sagst Du jetzt: »Ich merke nichts davon. Wie soll das gehen?«

Darauf antwortet Jesus:

»Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineinge­hen, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir.« (Offb. 3, 20)

Keine Angst – Jesus steht nicht vor deiner Wohnungs- oder Haus­tür um Dir etwas zu verkaufen und schon gar nicht um dich über den Tisch zu ziehen. Jesus ist auch nicht aufdringlich oder for­dernd. Er bricht die Tür zu deinem Herzen nicht auf. Sondern er kommt höflich und zurückhaltend an deine Herzenstür, klopft an und bittet um Einlass in dein Leben.

Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Es ist allein deine Entscheidung, ob Du auf ihn hörst und ihm öff­nest – oder sein Anklopfen ignorierst und die Tür einfach zu lässt.

Jesus möchte mit Dir eine persönliche Beziehung eingehen bzw. ausbauen und vertiefen. Er möchte mit Dir dein Leben teilen. Dei­nem Leben einen Sinn und ein Ziel, sein Ziel, schenken. Er möchte Dich führen und leiten, Dir den Weg zeigen, den Du ge­hen sollst und der gut für Dich ist.

Bist Du bereit auf ihn zu hören und ihm dein Leben anzuvertrau­en – oder lässt Du Jesus lieber vor der Tür stehen?

  1. Jesus hat zugesagt, dass er wiederkommen wird – ein zu­künftiger Advent, eine zu erwartende Ankunft.

Nach der Himmelfahrt Jesu wird seinen Jüngern von den Engeln folgendes zugesagt:

»Ihr Männer von Galiläa«, sagten sie, »warum steht ihr hier und starrt zum Himmel hinauf? Dieser Jesus, der aus eurer Mitte in den Himmel genommen worden ist, wird wiederkommen, und zwar auf dieselbe Weise, wie ihr ihn habt gehen sehen.« (Apg. 1, 11)

Jesus selbst sagt seinen Jüngern zu:

»Und wenn ich einen Platz für euch vorbereitet habe, werde ich wiederkommen und euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.« (Joh. 14, 3)

Das war nun schon vor ca. 2.000 Jahren…

…und seither ist nichts in dieser Richtung passiert – wirst Du jetzt einwenden.

Stimmt.

Und Du hast auch nichts verpennt, denn in der Bibel heißt es:

Und er wird wiederkommen! Auf den Wolken wird er kommen, und alle werden ihn sehen […]. Ja, amen, so wird es sein. (Offb. 1, 7)

Das wird keiner verpennen. Aber Jesus selbst sagt:

Und dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit in den Wolken kommen sehen.

Seht euch also vor und seid wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. (Markus 13, 26 und 33)

Aber erwartet das heute noch jemand?

Erwartest Du persönlich ganz konkret die Wiederkunft Jesu?

Im Glaubensbekenntnis, das wir in vielen Gottesdiensten in die­ser Kirche schon gesprochen haben und vermutlich noch spre­chen werden, ist das Wiederkommen Jesu beinhaltet.

Aber rechnest Du damit konkret und bereitest Du dich darauf vor?

Dazu eine kurze Geschichte von einem König und seinem Hof­narren:

Eines Tages schenkte der König dem Narren einen silbernen Narrenstab mit goldenen Glöckchen daran und sagte:

„Du bist gewiss der größte Narr, den es gibt. Solltest du einmal einen treffen, der noch närrischer ist als du, dann gib ihm die­sen Stab weiter.“

Jahrelang trug der Narr diesen Stab – bis zu dem Tag, an dem er erfuhr:

“Der König liegt im Sterben.“

Da hüpfte er ins Krankenzimmer und sagte:

„König, ich höre, du willst eine große Reise antreten.“

„Ich will nicht, ich muss!“, erwiderte der König.

„Oh, du musst? Gibt es also doch eine Macht, die noch über den Großen dieser Erde steht. Nun wohl! Aber du wirst sicher bald wieder zurückkommen?“

„Nein,“ ächzte der König, “von dem Land, in das ich reise, kehrt man nicht zurück.“

“Nun, nun,“ meinte der Narr begütigend, “gewiss hast du diese Reise seit langem vorbereitet. Ich denke, du hast dafür ge­sorgt, dass du in dem Land, von dem man nicht zurückkommt, königlich aufgenommen wirst.“

Der König schüttelte den Kopf: “Das habe ich versäumt. Ich hatte nie Zeit, diese Reise vorzubereiten.“

“Oh, dann hast du sicher nicht gewusst, dass du diese Reise einmal antreten musst?“

“Gewusst habe ich es schon. Aber – wie gesagt – keine Zeit, mich um eine rechte Vorbereitungen zu kümmern.“

Da legte der Narr leise seinen Stab auf das Bett des Königs und sagte:

“Du hast mir befohlen, diesen Stab weiterzugeben an den, der noch närrischer ist als ich. König! Nimm den Stab! Du hast ge­wusst, dass du in die Ewigkeit musst und dass man von da nicht zurückkommt. Und doch hast du nicht Sorge getragen, dass dir die ewigen Wohnungen geöffnet werden. König! Du bist der größte Narr!“

Bei der Geschichte geht es um die Vorbereitung aufs Sterben.

Wir können aber die Frage nach der Vorbereitung auch auf Jesu Wiederkunft übertragen.

Möchtest Du bei der Wiederkunft Jesu den Narrenstab mit golde­nen Glöckchen daran erhalten und als Narr dastehen, weil Du dich nicht um eine rechte Vorbereitung auf das Kommen Jesu vorbereitet hast?

Worauf warten wir?
Jahr um Jahr. Tag für Tag. Heute. Jetzt.
Oder warten wir auf nichts?
Kennen wir den der kommen wird
oder den der wiederkommt
oder den der immer da war?
Oder wartet er auf uns?

(Arnim Juhre, EGB Seite 305)

Hoffentlich wartet Jesus nicht vergeblich auf Dich vor deiner Her­zenstür.

Amen.

Segen

Gott lasse dich eine gesegnete Adventszeit erleben.
Er schenke dir die nötige Ruhe, damit du dich auf die frohe Bot­schaft einlassen kannst.
Der Herr nehme dir Sorgen und Angst und schenke dir neue Hoff­nung.
Er bereite dir den Raum, den du brauchst und an dem du so sein kannst, wie du bist.
Gott mache heil, was du zerbrochen hast und führe dich zur Versöh­nung.
Er gebe dir Entschlossenheit, Phantasie und Mut, damit du auch an­deren Advent bereiten kannst.
Gott bleibe bei dir mit seinem Licht, wenn dunkle Tage kommen.
Der Herr segne dich und schenke dir seinen Frieden.
Amen

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