Himmelwärts jonglieren. Predigt von Pfarrer Martin Richter beim Gottesdienst zu Himmelfahrt im Stadtpark in Senden

Beim Gottesdienst zu Himmelfahrt im Stadtpark in Senden hat Pfarrer Martin Richter folgende Predigt unter Mitwirkung eines Jongleurs gehalten:

Himmelwärts jonglieren. Predigt zu Himmelfahrt

Von Pfarrer Martin Richter

Bewegung … frei im Raum … auf und ab … mal höher … mal wei­ter … ohne Netz und doppelten Boden … ohne Sicherheiten … der ein­zige Halt: die Hand, die wirft… das Auge, das kontrolliert… Bewe­gung, die bewegt… spannend … aufregend … interessant… beängstigend? …

Manchmal denke ich: Genauso ist es auch im Leben. Man kann sich fühlen wie eine solche Keule. Hin- und her geschleudert, auf und ab: Im Leben gibt es auch keine Sicherheiten, keine Garantien, keinen sicheren Halt. Das kann man immer wieder erleben. Mal fühlt man sich oben, mal unten. Dazwischen spielt sich das Leben ab. Und man fühlt sich herumgewirbelt. Gutes und Schlimmes liegen oft so nah beieinander. Und liegt man dann am Boden, wie eine Keule, die aus der Luft auf den Boden fällt, dann fühlt man sich am Boden zerstört. Das Leben um mich herum geht weiter, aber ohne mich. Alles um mich herum ist in Bewegung, nur ich selbst bin nicht dabei, so jeden­falls kommt es mir dann vor.

Der einzige Halt: die Hand, die wirft… das Auge, das kontrolliert … ausgeliefert bin ich … hin- und hergeworfen von Zufall und Mut­willen. Ein leiser Windhauch genügt, eine kleine Störung, schon wird alles zerstört. Die Illusion ist vorbei. Ich liege am Boden … Schluss! Aus! Ende! Wer ist die Hand, die wirft?

Wer oder was ist es, was mich bewegt? Alles reine Glückssache? Oder doch Schicksal? Das Auf und Ab meines Lebens – woran hängt es? Die Hand, die wirft, die kontrolliert und steuert – ist es meine Hand?

Menschen versuchen, ihr Leben in der Hand zu behalten. Mit dem, was auf sie zukommt, zu jonglieren. So vieles ist im Blick zu behalten, so vieles ist zu händeln. Was müssen wir nicht alles jonglieren im Alltag? Da versucht eine Mutter, Familie und Haushalt mit beiden Händen gleichermaßen in den Griff zu kriegen. Ein Schüler fühlt sich wie ein Ball zwischen Schule, Musikunterricht, Sportverein und Freizeitgestaltung hin und hergeworfen. Ein Handwerker muss immer wieder Angebote, Lieferengpässe und Fahrten zu den Baustellen auf seinem Terminkalender hin- und herschieben. Jeder von uns kennt wohl seine Jonglierkünste des Alltags. So vieles muss bewältigt werden, so vieles stürmt auf uns Menschen ein. Und wenn man alt oder krank geworden ist, muss man mit dem wenigen, was noch da ist, jonglieren. Ja, es ist eine Kunst, das Lebens zu bewältigen.

Es ist auch eine Kunst, mit Keulen, brennenden Fackeln, Bällen oder Ringen zu jonglieren. Ohne Übung geht das nicht. Und man kann auch nicht gleich mit 6 Keulen oder 5 Bällen anfangen. Übung macht den Meister, heißt es in einem Sprichwort. Aber wie meistere ich das Leben? Jeder und jede von uns sehen, wie er mit seinem Leben klarkommt, wie er mit dem umgeht, was in seinem Leben passiert. Sei es in der Familie, sei es im Beruf, sei es in der Politik, sei es wie hier bei uns in den Gemeinden in der Iller-Roth-Region, in Diedorf oder Augsburg, wo Menschen schon viele Jahre miteinander das Gemeindeleben gestalten. Wo viel passiert. Wo oft mit vie­len Bällen jongliert werden muss. Fröhlichkeit und Feiern, aber auch Traurig­keit und Tränen.

Manchmal gelingt es, die Bälle alle in der Luft zu halten. Manchmal gelingt es, mit dem klarzukommen, was hier auf uns einstürmt. Schö­nes und Schweres. Manchmal aber auch nicht. Pläne, Wünsche, Träu­me, oft genug werden sie zurückgeworfen auf den harten Boden der Tatsachen. Gebe ich dann auf? Glaube ich, wenn andere zu mir sagen, dass ich nicht gut genug bin? Wenn ich an mir selbst zweifle? Manchmal braucht es nur ein Wort, um zu verzweifeln, um mutlos zu sein, wie wir es in dem ersten Lied gesungen haben. Und dann tut es gut, wenn dann ein Brief kommt, ein unverhoffter Gruß – oder wie es in dem Lied, das wir jetzt singen heißt: ein „ich mag dich trotzdem Kuss“.

Himmelfahrt: Aufstreben in luftige Höhen … in den Himmel flie­gen … Gott nah sein …ihn ganz nah spüren … die Größe seiner Schöp­fung begreifen … sich geborgen fühlen in seiner unermesslichen Liebe … seine Vollkommenheit erahnen … für einen Moment nur … einen Augenblick des Glücks … ganz kurz nur … unwiederbringlich.

Diesen Wunsch, diese Sehnsucht, ich kenne sie. Aber ich kenne zugleich auch das andere: Absturz in Tiefen, Traurigkeit.

Menschen begleiten uns in unserem Leben. Aber irgendwann heißt es dann: Sterben, Abschied nehmen. Und manchmal scheint Gott so fern. Hinabgestiegen in das Reich des Todes oder aufgefahren in den Him­mel, wer kann das sagen? Für mich fern und unerreichbar.

„Und Jesus führte sie hinaus, hob die Hände auf und segnete sie, und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.“

Das sind Worte, die gut tun und nachklingen. Gottes Segen begleitet Menschen auf ihrem Lebensweg. Egal, wohin dieser Weg führt. Ob rauf, ob runter. Ob ich mich Gott fern fühle oder ob nahe, sein Segen begleitet mich. Er ist wie eine schützende Macht, die mich hält, wenn ich das Gefühl habe, ins Bodenlose zu stürzen. In seinem Segen ist Gott gegenwärtig. Wir haben einen Gott, der es gut mit uns meint. Der uns begleitet. Einen jeden, eine jede auf ihrem Weg. Aber auch uns, als Gemeinschaft von Menschen, die miteinander leben und arbeiten.

„Sie aber beteten ihn an. Sie kehrten zurück mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.“ Gottes Macht erweist sich in Wundern, in den großen und kleinen Zeichen seiner Stärke. Solche Zeichen, ich denke, sie sehen für jeden von uns verschieden aus.

Für mich sind es die kleinen zufälligen Fingerzeige im Alltag. Manchmal nur ein kleiner Vogel, den ich singen höre. Und der mich daran erinnert, dass das Leben ein Geschenk ist. Manchmal ist es eine kleine Geste, ein Wort nur, das ein anderer zu mir sagt, und das mich ins Nachdenken bringt. Und mir wieder Hoffnung gibt. Manchmal ist es auch die Erfahrung, wie ein Mensch in Frieden und Geborgenheit sein Leben aus der Hand gibt, im Einklang mit sich und seinem Gott.

Dafür möchte ich ihm danken, ihn loben in Gebet und Gesang. Denn er lässt mich nicht aus seiner Hand. Ich bin nicht zufällig aus­geliefert, hin- und hergeworfen, sondern von Gott gewollt und geliebt – und bei ihm, in seinem Segen geborgen.

Auch wenn es in meinem Leben manchmal auf und ab geht, auch wenn ich mich manchmal hin- und hergeworfen und -gerissen fühle: Ich weiß mich gehalten und getragen von Gott. Sein Segen begleitet mich, daran kann ich mich freuen. Und deshalb möchte ich Gott prei­sen und mich freuen an dem, was er an mir und für mich tut. Singen möchte ich, ihn loben und preisen. Amen.

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