Sonntagsbrief an die Gemeinde zu Trinitatis am 14. Juni 2020

Schwestern und Brüder, ihr die Gemeinde,

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Wofür würde ich alles geben? Diese Frage bringt das eigene Leben zur Besinnung. Was gäbe es, das einem all sein Hab und Gut wert wäre? Möglicherweise die eigene Gesundheit, vielleicht auch erfüllte Liebe? Wenn es um das eigene Geben geht, wird überlegt: Was kann oder was werde ich dafür bekommen, wenn ich all das auf- oder weggebe? Ist es das wirklich wert? Was wäre, wenn ich es mir doch anders überlegen müsste? Eigene Lebenserfahrung nährt die Vorsicht: Ich weiß, was ich habe. Was das andere mir auf Dauer bieten kann, wer weiß. Sicher ist sicher, was ich eigenhändig für mich behalten kann …

Wie befremdlich mag uns da folgende Begebenheit aus den Anfängen der Kirche in Jerusalem erscheinen, wie sie im vierten Kapitel der Apostelgeschichte erzählt wird:

Die Menge derer, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon so viel zugeteilt, wie er nötig hatte. Auch Josef, ein Levit, gebürtig aus Zypern, der von den Aposteln Barnabas, das heißt übersetzt: Sohn des Trostes, genannt wurde, verkaufte einen Acker, der ihm gehörte, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.“ (4,32-37)

Menschen, die zum Glauben an Jesus als dem auferstandenen Christus gekommen waren, finden sich in einer Gemeinschaft wieder. Sie geben ihr Eigentum aus den Händen und leben fortan in einer Gütergemeinschaft. Jeder stellt das, was er hat, den anderen zur Verfügung. Niemand hält etwas für sich selbst zurück. Vermögende verkaufen ihre eigenen Häuser und Grundstücke und bringen die Erlöse in die Gemeinschaftskasse ein. Was jemand selbst zum Leben braucht, wird ihm in der Gemeinschaft zugeteilt.

„Sie hatten alles gemeinsam“ – christlicher Kommunismus ließe sich das nennen; „unrealistisch, so etwas kann auf Dauer nicht gut gehen“ mögen manche sagen. Und doch: „Sie haben alles gemeinsam“ heißt es seit mehr als 1700 Jahren für Mönche, Nonnen und andere Ordensleute. Diese leben unter dem Armutsgelübde in einer Gemeinschaft ohne persönliches Eigentum. Und auch in evangelischen Kommunitäten wird mitunter Gütergemeinschaft praktiziert.

Wofür würde ich alles geben? Die Gläubigen in der Apostelgeschichte haben sich diese Frage nicht gestellt. Wo sie ihr Hab und Gut der Gemeinschaft zur Verfügung stellten, wollten sie damit nichts für sich selbst erlangen, auch nicht einen Schatz im Himmel.

Die Herausforderung des urchristlichen Lebens ist nicht ein Eigentumsverzicht um einer anderen, „höheren“ Sache willen, sondern sind fünf geflügelte Worte: „ein Herz und eine Seele“. Eindringlicher lässt sich Einigkeit nicht beschreiben. Wo Menschen sich gemeinsam einig sind, spielen „Meins“ und „Deins“ keine Rolle mehr: Nimm Dir, was Du brauchst, wir sind und bleiben uns ja eins. Das ist das Wunder der Gemeinschaft. Mitunter geschieht es auch bei uns – bei einem Festessen, wenn die Anwesenden miteinander teilen, um es sich gemeinsam gut gehen zu lassen.

Was jedoch damals in Jerusalem geschehen war, geht über eine kurzzeitige Festmahlgemeinschaft hinaus. Christen haben ihr Leben in einer ganz neuen, revolutionären Weise verstanden – nämlich im Licht der Auferweckung Jesu Christi von den Toten: Wenn unsere Lebenszukunft mit ihm bei seinem Vater im Himmel ist, brauchen wir uns nicht länger an Eigentum festzuhalten. Weil er für uns gewonnen hat, können wir miteinander teilen, ohne dabei selbst zu verlieren. Wie kläglich hingegen zeigt sich manches Leben, das am Eigentum hängt. Auf Dauer ist man dabei in der eigenen Todes- und Verlustangst gefangen.

Uns allen ist der Glaube zu wünschen, den der Apostel Paulus wie folgt ausspricht: „Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn. Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.“ (Römer 14,7-9)

So bete ich: Himmlischer Vater, Du hast Deinen Sohn Jesus Christus von den Toten auferweckt. In ihm geht unser Leben nicht verloren. Erfülle uns mit Deinem Heiligen Geist, damit wir in Deiner Kirche zueinander finden und miteinander teilen. Durch Jesus Christus, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Die Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst in der Martin-Luther-Kirche ist mit Voranmel­dung möglich. Unter der Telefonnummer 07306/78 92 95 10 werden von Montag bis Donnerstag 17 Uhr Voranmeldungen für den darauffolgenden Sonntags­gottesdienst angenommen. Sollten die Anrufer von uns nichts mehr hören, sind sie für den Gottesdienst eingeladen.

Dieser Sonntagsbrief kann die Woche über unter der Telefonnummer 07306/78 92 95 11 abgehört werden. Auf unserer Webseite https://www.evang-kirche-voehringen.de finden sich unter der Überschrift „Krone des Lebens“ aktuelle Tagesimpulse. Diese können dort auch abonniert werden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Es grüßt Euch ganz herzlich

Euer Jochen Teuffel
Evangelischer Pfarrer

Veröffentlicht in Allgemein, Sonntagsbrief an die Gemeinde.