Unser Kinderhaus Arche macht mir Sorgen. Nachdem eine Reihe von Mitarbeitenden uns in den letzten zwei Jahren verlassen hat, haben wir große Personalnot. Die verbleibenden Kräfte arbeiten am Limit. Obwohl sich mit der neuen Leitung, Marion Kügele, eine gute und vielversprechende Zusammenarbeit ergeben hat und wir intensiv auf der Suche nach neuem Personal sind, finden sich keine Vollzeitkräfte zur Neuanstellung. Die Folge sind gekürzte Betreuungszeiten und kaum Neuaufnahmen im kommenden Kindergartenjahr. Wir müssen Eltern enttäuschen und stellen gerade Familien, bei denen beide Elternteile berufstätig sind, vor beträchtliche Probleme. Als Träger bleibt uns jedoch keine andere Wahl, da ansonsten wegen eines unterirdischen Betreuungsschlüssels unsere Einrichtung behördlich geschlossen werden muss.
Hinter diesem Dilemma steht ein allgemeiner Personalmangel. In den letzten 20 Jahren ist der pädagogische Personalbedarf nicht zuletzt wegen der Vielzahl neu errichteter Kinderkrippen und Horte stark gestiegen. Überall wird gebaut. Es kommen jedoch viel zu wenig junge Erzieherinnen und Kinderpfleger nach. Häuser lassen sich bauen, aber Personal lässt sich nicht backen. Der demografische Wandel erfasst ja nicht nur pädagogische Einrichtungen. Wir wissen um den Pflegenotstand in Alteneinrichtungen und Krankenhäusern. Auch Handwerk, Industrie und Dienstleistungsgewerbe finden schwerlich geeigneten Nachwuchs.
Grenzen des Wohlfahrtsstaates
Wir sind es gewohnt, dass jeder in Sachen Beruf, Familie und persönliche Lebensgestaltung frei wählen kann und dass der Staat mit einer umfassenden Daseinsvorsorge unsere Wahlfreiheiten zu gewährleisten hat. Bei etwaigen Mängeln versprechen politische Mandatsträger und Parteien Abhilfe und stellen weitere Finanzmittel in Aussicht. Aber Geld selbst kann keine Kinder betreuen und auch keine Alten pflegen. Wo nicht länger genügend Menschen zu finden sind, die die erforderlichen Tätigkeiten qualifiziert ausführen, können politische Versprechen und gesetzliche Ansprüche nicht eingehalten werden. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die kommunale bzw. staatliche Daseinsvorsorge mangels Arbeits- bzw. Fachkräften nicht länger wie bisher aufrechtzuerhalten ist.
Ich glaube, dass der familiäre Zusammenhalt wieder eine stärkere Rolle in unserer Gesellschaft spielen wird. Wir haben neu zu lernen, dass in unserem Leben nicht alles frei zu wählen ist. Wo der Staat Vorsorge nicht länger bewerkstelligen kann, sind wir aufeinander angewiesen. „Dient einander – jeder mit der Gabe, die er erhalten hat. So erweist ihr euch als gute Verwalter der Gnade, die Gott vielfältig schenkt“ heißt es dazu im ersten Brief des Petrus (4,10). Füreinander da sein und sich gegenseitig helfen wird auch in unserer Kirchengemeinde neu gefragt sein. Dazu braucht es Glaube, Hoffnung und Liebe, die uns mit Christus verbinden.
Eine gesegnete Sommerzeit wünscht euch
Jochen Teuffel
Pfarrer