„Du aber folge mir nach …“ Predigt zur Nachfolge Jesu von Helmut Haas

Beim heutige WegweiserGottesdienst hat Helmut Haas unter dem Thema „Du aber folge mir nach …“ eine im wahrsten Sinne des Wortes anspruchsvolle Predigt zur Nachfolge Jesu gehalten:

„Du aber folge mir nach …“ (Johannes 21,19)

»Du aber folge mir nach« – Worte, ca. 2.000 Jahren alt, an einen Mann namens Petrus gerichtet.

Interessiert mich das?

Geht mich das was an?

Ich denke, dass uns als Christen das Thema Nachfolge nicht ganz gleichgültig lassen sollte. Deshalb möchte ich mich mit Ihnen auf den Weg machen und der Sache etwas nachgehen.

Da ist der Begriff „Nachfolger“ – was versteht man darunter?

Früher hat man im Duden nachgeschaut, heute macht man Wikipe­dia auf und erhält dann folgende nüchterne Erklärungen:

  • jemand, der künftig die Position einer bestimmten Person ein­nimmt (z.B.: Amtsnachfolger, Rechtsnachfolger, Thronnachfolger)
  • jemand, der jemandem in seinem Amt, seiner Funktion zeitlich nachfolgt
  • ein Produkt, das ein bestimmtes älteres Produkt ablöst

In der säkularen Welt handelt es sich dabei immer um eine zeitliche Folge, ein Nacheinander.

Ich wurde eingestellt mit der Option die Nachfolge in einer Leitungs­funktion zu übernehmen. Ich habe 1 Jahr lang mit meinem Vorgän­ger zusammengearbeitet – bevor dieser in Ruhestand ging – und habe die Abläufe im Betrieb kennengelernt. Nach diesem Jahr habe ich dann die Verantwortung übernommen, nicht aber die Arbeitswei­se und Ansichten meines Vorgängers. Ich habe meine Vorstellun­gen von Mitarbeiterführung umgesetzt, meine Ideen in die Ferti­gungsprozesse eingebracht. Ich habe mich als Nachfolger nicht an der Denkweise, der Lebenseinstellung oder der Handlungsweise meines Vorgängers orientiert, sondern meine persönliche Einstel­lung umgesetzt. Ich bin nur zeitlich gefolgt.

Bei Familienunternehmen oder Selbständigen ist oft die Frage nach einem Nachfolger brisanter. Wer führt das, was ich selbst aufgebaut habe, mein Lebenswerk, in meinem Sinne weiter? Das geht schon über die rein zeitliche Nachfolge hinaus. Denn das, was ich geschaffen habe, soll in meinem Sinne durch meinen Nachfolger weitergeführt werden.

Und dann haben heutzutage in den sozialen Netzwerken Influencer Follower, keine Nachfolger mehr. Je mehr Likes, desto besser für das Geschäftsmodell. Der Influencer soll Einfluss ausüben auf das Verhalten seiner Follower, auf deren Lebensstil oder Kaufverhalten.

Da kommen wir der Frage nach der Nachfolge Jesu und der Bedeu­tung des Nachfolgers schon ein Stückchen näher.

Wenn man wieder Wikipedia zu Hilfe nimmt, dann findet man dort folgende Definition für Nachfolge Jesu:

Als Nachfolge Jesu bezeichnen Christen eine Lebensweise, die sich von Jesus Christus leiten lassen will und im Glauben sei­nem Vorbild ganz zu folgen versucht. Sie beziehen sich dabei, wie die Urchristen, auf die Einladung Jesu an seine ersten Jünger:

Komm und folge mir nach!

In der Kirchengeschichte haben sich unterschiedliche Lebensfor­men entwickelt, die sich als kompromisslose Nachfolge Jesu Christi verstanden haben:

Im frühen Christentum waren es die Eremiten und Mönche, die sich vollständig oder weitgehend aus dem gesellschaftlichen Leben zurück gezogen haben und allein oder in kleinen Gemeinschaften in der Einsamkeit, oft in der Wüste, ihren Glauben lebten.

Im Mittelalter entwickelten sich die Lebens- und Glaubensgemein­schaften der Klöster und Klosterorden weiter – mit unterschiedlichen Intensionen – teilweise auch in der Mitte der Städte und der Gesell­schaft mit diakonischer und missionarischer Zielsetzung.

Im Pietismus wurde die persönliche Nachfolge Jesu wieder stärker betont. Diesmal aber nicht in der Abgeschiedenheit der Eremitage oder des Klosters, sondern konkret im Alltag jedes Einzelnen. Auf diesem Hintergrund wurden einige diakonische Werke gegründet, die bis heute Bestand haben.

In der modernen Theologie trat das Thema der Nachfolge deutlich in den Hintergrund zurück.

Nun wurde die Frage, was Nachfolge bedeutet, keine Sache mehr für den Alltag.

Ausnahme war Dietrich Bonhoeffer, der in der Bekennenden Kirche evangelische Formen der Nachfolge zu praktizieren versuchte. In seiner lesenswerten Schrift „Nachfolge“ hat er sich ausführlich mit diesem Thema beschäftigt. Ich werde daraus auch zitieren.

In jüngerer Zeit kam die wwjd – what would Jesus do – Bewegung auf. Man fragt sich, was Jesus an meiner Stelle und in meiner jetzi­gen Situation tun würde, wie er konkret reden oder handeln würde.

Im NT redet Jesus viel über Nachfolge. Damit wollen wir uns nach dem nächsten Lied beschäftigen.

Lied: Jesus, dir nach, weil du rufst…

Jesus ruft in die Nachfolge – die Berufung der ersten Jünger.

Zur Zeit Jesu war es im Judentum durchaus üblich, dass Lehrer – sogenannte Rabbi – Schüler um sich sammelten. Wir wissen bei­spielsweise, dass Paulus Schüler bei Gamaliel war – einem der füh­renden Rabbi und Schriftgelehrten der damaligen Zeit.

Normalerweise wählte der Schüler seinen Lehrer aus. Das daraus resultierende Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler war ein inni­ges und sehr persönliches – oft eine Lebensgemeinschaft auf Zeit. So auch bei Jesus und seiner engeren Jüngerschar. Nur – in diesem Fall suchten sich nicht die Jünger ihren Lehrer aus, sondern Jesus hat, entgegen der üblichen Praxis, seine 12 Jünger zu Beginn sei­ner Wirkungszeit selbst ausgesucht und sie in seine Nachfolge berufen.

Beispielsweise wird uns von Matthäus folgendes berichtet:

Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Fischer, die auf dem See ihr Netz auswarfen. Es waren Brüder, Simon, auch Petrus genannt, und Andreas. Jesus sagte zu ihnen: »Kommt, folgt mir nach!« Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.

Jesus ruft hier einzelne Menschen in seine Nachfolge.

Diesem Ruf folgen die beiden Brüder, lassen alles stehen und lie­gen und folgen Jesus nach. Nachfolge hat etwas damit zu tun, dass wir etwas hinter uns lassen. Das ist bei uns – wie bei den Jüngern damals – das bisherige Leben. Wir lassen etwas hinter uns und fan­gen etwas Neues an.

Petrus hat seine gesicherte Existenz hinter sich gelassen

  • für drei Jahre Wanderschaft mit Jesus durch das Land,
  • für drei Jahre Erlebnisse mit Jesus,
  • für drei Jahre Jesu Worte hören.

Petrus hat nicht lange gefackelt. Er ist dem Ruf Jesu gefolgt. Nach­folge hat offensichtlich etwas zu tun mit Gehorsam. Im Gehorsam den ersten Schritt wagen, ohne genau zu wissen, was auf einen zukommt, wie bei Petrus. Jesus nachfolgen hat etwas zu tun mit Gehorsam, wenn Jesus in die Nachfolge ruft. Allerdings kann ich mich, wie Petrus, frei dafür oder dagegen entscheiden.

D.h., Jesus nachfolgen erfordert meine Entscheidung, auch meine Entscheidung zum Gehorsam. Den ersten Schritt muss ich tun im Gehorsam.

Bonhoeffer bezeichnet es als „billige Gnade“, wenn nach dem Ruf in die Nachfolge nicht der erste Schritt im Gehorsam folgt, der erste Schritt in eine neue, aber auch ungewisse Zukunft.

Hören wir uns ein Gegenbeispiel an (der reiche Jüngling).

Matthäus 19, 16 – 22

Ein Mann kam zu Jesus und fragte ihn: »Meister, was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu bekommen?«

»Warum fragst du mich nach dem, was gut ist?«, entgegnete Jesus. »Gut ist nur einer. Wenn du den Weg gehen willst, der zum Leben führt, dann halte die Gebote!«

»Welche Gebote?«, fragte der Mann.

Jesus antwortete: »Du sollst keinen Mord begehen, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst keine falschen Aussagen machen, ehre deinen Vater und deine Mutter und liebe deine Mitmenschen wie dich selbst!«

Der junge Mann erwiderte: »Alle diese Gebote habe ich befolgt. Was fehlt mir noch?«

Jesus antwortete:

»Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Und dann komm und folge mir nach!«

Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg, denn er hatte ein großes Vermögen.

Jesus trifft den wunden Punkt bei diesem Mann. Er suchte Bestäti­gung bei einem Rabbi für seine Lebensführung. Alle diese Gebote habe er gehalten – aber ihm fehlt doch noch etwas.

Kennen wir diese Antwort des Mannes nicht auch?

Ich bin doch ein anständiger Mensch, habe niemanden umgebracht, nichts gestohlen, keine Ehe gebrochen – hab mir nichts zuschulden kommen lassen, also eigentlich ganz anständig. Müsste doch eigentlich ausreichen.

Aber Jesus ruft diesen Mann nun in die Nachfolge. Der kann den ersten Schritt des Gehorsams nicht gehen. Er kann sein bisheriges Leben nicht hinter sich lassen, er kann nicht loslassen.

Damit verstößt er eigentlich gegen das erste Gebot – du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen – ihn allein. Diesen ersten Schritt der Nachfolge wollte dieser Mann nicht gehen.

Hören wir ein anderes Beispiel (Petrus auf dem Wasser)

Matthäus 14, 25 – 33

Gegen Ende der Nacht kam Jesus zu den Jüngern; er ging auf dem See. Als sie ihn auf dem Wasser gehen sahen, wurden sie von Furcht gepackt.

»Es ist ein Gespenst!«, riefen sie und schrien vor Angst.

Aber Jesus sprach sie sofort an. »Erschreckt nicht!«, rief er.

»Ich bin es. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.«

Da sagte Petrus:

»Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!«

»Komm!«, sagte Jesus.

Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser auf Jesus zu. Doch als er merkte, wie heftig der Sturm war, fürchtete er sich. Er begann zu sinken. »Herr«, schrie er, »rette mich!«

Sofort streckte Jesus seine Hand aus und hielt ihn fest.

»Du Kleingläubiger«, sagte er, »warum hast du gezweifelt?«

Dann stiegen beide ins Boot, und der Sturm legte sich. Und alle, die im Boot waren, warfen sich vor Jesus nieder und sagten: »Du bist wirklich Gottes Sohn.«

Petrus macht im Gehorsam den ersten Schritt. Aber weder aus Eigeninitiative noch aus Eigenmächtigkeit, nach dem Motto: „wenn Jesus das kann, dann kann ich das als sein Nachfolger auch.“ Dann wäre er nämlich beim ersten Schritt abgesoffen. Erst auf die Auffor­derung Jesu hin hat er im Gehorsam den ersten Schritt gewagt. Im Blick auf Jesus konnte er – gegen alle Naturgesetze – auf dem Was­ser gehen. Aber nur so lange, wie er seinen Blick auf Jesus richtete. Sobald er auf die Wellen – die ungünstigen Umstände um ihn herum – blickte und sich darauf konzentrierte, begann er zu sinken.

Nachfolge heißt im Gehorsam den ersten Schritt tun, wenn Jesus ruft. Nicht, wenn wir meinen, dass es Zeit für den ersten Schritt wäre. Und dann den Blick auf Jesus gerichtet sein lassen, nicht auf die Umstände um uns herum. Jesus vertrauen und sich auf ihn aus­richten, unabhängig davon, wie widrig die Umstände um mich herum auch sein mögen und wie ich mich gerade fühle.

Jesus ist meine Orientierung.

Die Frage des Petrus nach dem Lohn der Nachfolge

Matthäus 19, 27 – 30

Petrus sagte zu Jesus: »Du weißt, wir haben alles zurückgelassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen?«

Jesus erwiderte: »Ich sage euch: jeder, der um meines Namens wil­len Häuser, Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder oder Äcker zurücklässt, wird alles hundertfach wiederbekommen und wird das ewige Leben erhalten.«

Jesus maßregelt Petrus nicht für diese Frage, sondern geht darauf ein. Wir sind im Normalfall in unserem Kulturkreis nicht dazu gezwungen alles zu verlassen. In dieser Hinsicht kostet uns die Ent­scheidung zur Nachfolge Jesu nicht viel bis nichts. Es ist die Gefahr der „billigen Gnade“, wie Bonhoeffer dies bezeichnet.

Nachfolge, die nichts kostet.

Anders in anderen Kulturkreisen – beispielsweise in moslemisch geprägten Ländern – in denen im Normalfall eine Konversion vom Islam zum Glauben an Jesus sehr wohl den Verlust von Familie und Besitz bedeuten kann. In diesen Kulturkreisen kostet diese Ent­scheidung sehr viel – unter Umständen riskiert man sein Leben. Hier bedeutet der erste Schritt, wenn Jesus in die Nachfolge ruft, Gehorsam mit allen Konsequenzen.

Jesu Nennung der Konsequenzen

Matthäus 16, 24

Jesus sagte zu seinen Jüngern: »Wer zu mir gehören will, darf nicht mehr sich selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern muss sein Kreuz auf sich nehmen und mir nachfolgen.

Es geht dabei um eine Willensentscheidung – wenn jemand mein Jünger sein will. Die Willensentscheidung heißt: im Gehorsam den ersten Schritt zu tun. Der erste Schritt ist die Selbstverleugnung. In der HfA heißt es: »darf nicht mehr sich selbst in den Mittelpunkt stel­len«.

Selbstverleugnung heißt: »Nur Christus kennen, nicht mehr sich selbst, nur noch ihn sehen, der vorangeht, und nicht mehr den Weg, der uns zu schwer erscheinen mag.« schreibt Bonhoeffer.

Und dann sein Kreuz auf sich nehmen – nicht das des Anderen. Offensichtlich liegt für jeden sein persönliches Kreuz bereit, das er aufnehmen und akzeptieren muss. Ich muss es nicht krampfhaft suchen, sondern es ist mir von Gott bestimmt und zugemessen.

Bonhoeffer schreibt weiter:

»Kreuz ist nicht Ungemach und schweres Schicksal, sondern es ist das Leiden, das uns aus der Bindung an Jesus Christus allein erwächst«.

Sein Kreuz und nicht das des Anderen

Johannes 21, 20 – 22

Petrus fragte Jesus: »Herr, und was wird aus diesem hier?« Jesus erwiderte: »Was geht dich das an? Folge du mir nach!«

Jesus beruft Petrus von neuem, trotz seines Versagens – er hatte ihn im Hof des Palastes des Hohepriesters dreimal verleugnen. Kei­ne Vorwürfe, keine Zurechtweisung, keine Standpauke.

Nur die einfache Frage: Hast du mich lieb?

Mehr braucht es nicht.

Und was gehen mich die Anderen an?

Gar nichts.

Du aber folge mir nach – sagt Jesus.

Der Ruf in die Nachfolge gilt dir persönlich und Du musst dich ent­scheiden, ob Du den ersten und alle folgenden Schritte im Gehor­sam gehen willst.

Fazit

Nachfolge heißt nicht

  • regelmäßig den Gottesdienst am Sonntagmorgen besuchen,
  • Glaubensgrundsätze und -bekenntnisse für wahr halten und aus­wendig aufsagen können.

Nachfolge heißt

  • dass ich mich Jesu Autorität unterstelle und im Gehorsam Gottes Willen nicht nur zur Kenntnis nehme, sondern auch tue,
  • dass mein Alltag vom Willen und der Liebe Jesu durchdrungen ist,
  • dass ich mich verändern lasse und Jesus immer ähnlicher werde, mit dem Ziel, dass ich letztlich ihm gleich werde,
  • dass ich durch das Wirken des Heiligen Geistes den Originalzu­stand der Schöpfung erreiche – Gottes Ebenbild, so wie er mich gedacht hat. Bereit für die persönliche Gemeinschaft mit dem Vater im Himmel – zu dem wir auch beten.

Aber wir müssen es wollen.

So wünsch ich jedem von uns, dass er Jesu Ruf in die Nachfolge hört, mit einem ersten Schritt im Gehorsam beantwortet und Jesus konsequent nachfolgt. Es lohnt sich.

Amen

Veröffentlicht in Allgemein.