Sonntagsbrief an die Gemeinde, 4. September 2022

Vöhringen, 3. September 2022

Schwestern und Brüder, ihr die Gemeinde,

„Gott hört dein Gebet“ lässt uns das gleichnamige Lied singen. Das sollte Zuversicht geben, wäre da nicht die Frage: Was können unsere Worte bei Gott bewegen? Hören ist ja noch kein Erhören. Unerhörte Gebete setzt Martin Buber in seinen Erzählungen der Chassidim ins Bild:

Der Baalschem[1] blieb einst an der Schwelle eines Bethauses stehen und weigerte sich, es zu betreten. „Ich kann nicht hinein“, sagte er, „es ist ja von Wand zu Wand und vom Boden bis zur Decke übervoll der Lehre und des Gebets, wo wäre da noch Raum für mich?“ Und als er merkte, dass die Umstehenden ihn anstarrten, ohne ihn zu verstehen, fügte er hinzu: „Die Worte, die über die Lippen der Lehrer und Beter gehen und kamen nicht aus einem auf den Himmel ausgerichteten Herzen, steigen nicht zur Höhe auf, sondern füllen das Haus von Wand zu Wand und vom Boden zur Decke.“

Worte, die nicht wirklich für Gott bestimmt sind, fallen auf den Beter zurück. Gott mag sie hören, aber sie gehen ihn nicht wirklich an. Für ein rechtes Beten findet sich in dem jüdischen Buch Shulchan ‘Arukh („Gedeckter Tisch“)[2] eine Anweisung, die auch für Christen hilfreich sein kann: Der Betende solle sich vorstellen, er stünde vor Gott wie bei einer königlichen Audienz in einem Thronsaal. So werden die eigenen Worte geordnet und die Gedanken auf das zu Sprechende ausgerichtet, um beim „König aller Könige“ Gehör zu finden.

So bete ich: HERR Gott, himmlischer Vater, was hast Du schon alles von mir zu hören bekommen? Wie viele Worte waren nur daher gesagt? Ich weiß oft nicht, was ich beten soll. So bitte ich um deinen Geist. Er lasse mich neu als dein Kind entdecken, damit ich mit meinem Verlangen und meinen Bedürfnissen Dir nahe bin. Durch Jesus Christus. Amen.

Am morgigen Sonntag, 4. September, feiern wir den Gottesdienst in der Martin-Luther-Kirche um 9.30 Uhr. In der Predigt zu Apostelgeschichte 9 geht es um die dramatische Bekehrung vom „Saulus zum Paulus“.

Mittlerweile hat Sebastian Ziegler als Lehrvikar seinen Dienst in unserer Kirchengemeinde aufgenommen. Er wird am kommenden Sonntag, 11. September, im Gottesdienst um 9.30 Uhr eingesegnet.

Es grüßt Euch ganz herzlich

Euer Jochen Teuffel
Evangelischer Pfarrer


[1] Rabbi Israel ben Elieser (1698-1760), genannt Baal Schem Tov, gilt als legendärer Begründer der chassidischen Bewegung im Judentum.

[2] Diese Schrift des Rabbiners Joseph Karo (Joseph ben Efraim Karo, 1488-1575) hat für die Gebetspraxis orthodoxer Juden normativen Charakter.

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